Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
An dem Gerät war eine Flüssigkristallanzeige installiert, wo sie im Wechsel die Tretfrequenz und den Kalorienverbrauch ablesen konnte. In dreißig Minuten wollte sie zweitausend Schritte machen, was einem Verbrauch von etwa 250 Kilokalorien entsprach. Damit wäre zumindest ein Viertel des Mittagessen wieder abgebaut.
Sie schwang die Arme kräftig nach vorne und hinten und zollte jedem Teil ihres Körpers Aufmerksamkeit. Zunächst ihr Gesäß. Rund und straff war es ein Beweis für ihre Jugendlichkeit. Dann die Taille. Tief sitzende Jeans, über denen das Fleisch hervorquoll, konnte sie sich als Schauspielerin nicht erlauben.
Eins-zwei, eins-zwei, alles vergessen, sich ganz auf das Training konzentrieren. Sie spürte, wie dankbar ihr Körper war. Auf dem Weg zur Schönheit arbeiteten alle Zellen zusammen.
Schneller als gedacht waren die dreißig Minuten um, und Kaoru floss der Schweiß in Strömen herunter, so dass der Patientenkittel vollkommen durchnässt war. Sie war außer Atem, und ihr Herz klopfte wie wild. Aber sie fühlte sich wohl. Das Gefühl der Erfüllung war stärker als der Schmerz.
»Kumi-chan, kann ich irgendwo duschen?«, fragte sie, als sie den Vorhang öffnete.
»Du, Mayumi, ist das möglich? Ihr habt doch eine Dusche, oder?«
»Übertreibt ihr nicht ein bisschen?«, sagte Mayumi nun ärgerlich.
»Jetzt seid doch nicht so geizig. Ihr habt doch genug Geld mit
einer überflüssigen Spritze verdient«, ließ Kumi sich nicht unterkriegen.
»Ist sie fertig? Ja? Kann ich jetzt mal ran?« Irabu tauchte mit fröhlichem Gesicht auf.
»Herr Doktor, wir wären wirklich dankbar, wenn wir eine Dusche benutzen könnten.« Mitsuyos Stimme hatte einen flehenden Unterton.
»Wenn Sie mit dem Waschplatz neben dem Leichenschauhaus zufrieden sind. Das Luxuszimmer im obersten Stockwerk hat auch ein Bad, das aber nicht umsonst ist«, antwortete Irabu unbekümmert. Natürlich entschied Kaoru sich für Letzteres.
Geführt von Mayumi, die ein böses Gesicht machte, kamen sie in ein Zimmer, das einer Hotelsuite in nichts nachstand. Erst nachdem Kaoru sich den Schweiß abgeduscht hatte, fühlte sie sich erleichtert. Die Anspannung in ihren Schultern war nun weg und sie war froh, allen Widerständen zum Trotz dieses Training absolviert zu haben. Andernfalls wäre sie bis zum späten Abend ein Nervenbündel gewesen.
Sie hüllte sich in einen flauschig weichen Bademantel und sah vom Fenster auf die Stadt hinunter. In der Ferne stand der Hochhäuserwald des Zentrums. Genau unter ihr war ein Wohnviertel, offensichtlich für die besser Betuchten, wie an den eleganten Häuserfassaden zu sehen war. Der Himmel über Tokio zur Regenzeit war mit dicken Wolken verhangen, die jederzeit loszuweinen drohten.
Während sie die Szenerie vor sich betrachtete, kam sie auf einmal wieder zu sich selbst.
Was machte sie hier? Sie runzelte die Stirn.
Bis vorhin hatte sie die Pedale auf dem Heimtrainer getreten, im Behandlungszimmer eines Krankenhauses, das sie vorher noch nie betreten hatte. Und hatte sie sich gegenüber dem Arzt nicht unmöglich aufgeführt?
Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Stimmte etwas nicht mit ihr?
Regungslos blieb sie eine Weile am Fenster stehen.
Schwermütig kehrte sie zurück in Irabus Praxis, wo Mitsuyo sie mit tief gerunzelter Stirn erwartete.
»Das war eine ziemlich peinliche Vorstellung von mir«, sagte sie mit weinerlicher Stimme.
»Ist schon gut. Der Doktor hat ja Verständnis gezeigt.« Er umarmte sie wie eine fürsorgliche Mutter.
Derweil mühte sich Irabu in der Mitte des Zimmers an der Maschine ab. Da er alles andere als geschickt war, schwankte er hin und her wie ein Schiff in schwerem Seegang.
»Was ist das nur für ein komisches Ding? Macht überhaupt keinen Spaß!«, schmollte er und stieg herunter.
»Also gut, wenn Sie schon mal da sind, kann ich Ihnen auch eine Spritze verpassen, sozusagen der ideale Muntermacher. Mayumi-chan! Bring doch mal eben unsere XL-Spritze!«, rief er und beschrieb mit seinen Armen einen großen Kreis.
Die so Gerufene brachte mit ausdruckslosem Gesicht auf einem Tablett ein ganzes Spritzenset, nahm davon eine riesenhafte Spritze herunter, die sie in Anschlag brachte und wartete.
»Verstehe ich Sie richtig? Sie wollen mir eine Spritze geben?«
Ohne zu begreifen, wie ihr geschah, wurde Kaoru auf einen bereitstehenden Hocker niedergedrückt.
»Nur keine Sorge, ist alles halb so schlimm«, beruhigte Irabu sie und packte einen Arm von ihr, um ihn auf
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