Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
Wahlbeteiligung von fünfundneunzig Prozent niederschlug.
»Übrigens kommt morg’n der neue Doktor. Den nimmste in Empfang und regelst das entsprechend, klaro?«
»Ja, schon …«
»Deichsel das so, dass er sich hier als Einwohner meldet. Jede Stimme zählt.«
»Aber der bleibt doch nur zwei Monate!«
Als Ryōhei zu seinem Platz zurückkehrte, meldete sich sein Magen mit stechenden Schmerzen. Wenn er den Arzt zu seiner neuen Praxis gebracht hatte, würde er sich erst einmal selbst untersuchen lassen. Seit einigen Tagen verspürte er keinen Appetit
mehr, da die beiden feindlichen Lager ihn unablässig bedrängten, sie zu unterstützen.
Der vierundzwanzigjährige Ryōhei stammte aus Setagaya in Tokio und hatte bisher ein untadeliges Leben geführt. Bis zum Universitätsabschluss war er auf öffentliche Bildungseinrichtungen gegangen, und seine Leistungen bewegten sich stets über dem Durchschnitt. Er bestand erfolgreich die Prüfung zum Beamten und bewarb sich bei der Stadtverwaltung von Tokio. Den Beruf des Beamten hatte er deshalb ergriffen, weil er am ehesten seinem Charakter entsprach, wie er glaubte. Ellenbogenstoßender Wettbewerb oder auffallen um jeden Preis waren seine Sache nicht. Er wollte kein Leben führen, in dem es sich nur ums Geldraffen drehte. Weil er als Kind gesehen hatte, wie sein Vater mit seinem Geschäft bankrott ging, war es ihm ein natürliches Herzensbedürfnis, solide und erdverbunden zu leben. Sein Professor hatte ihm einmal gesagt: »Obwohl Sie noch jung sind, haben Sie keine Ambitionen.« Ryōhei hatte diese Kritik nicht besonders gestört. Wenn alle Menschen nur ehrgeizig wären, würde es in der Gesellschaft drunter und drüber gehen.
In der Stadtverwaltung Tokio wurde er der Abteilung für Wohlfahrt und Gesundheit zugeteilt und war in erster Linie zuständig für die Ordnung des Gesundheitswesens und Systemreformen. Als Neuling wurde er allerdings nur mit Zuträgerarbeiten betraut. Seine Gespräche mit Ärzten und Patienten waren interessant gewesen und hatten ihn viel gelehrt. Wenn eine dringende Bitte an ihn herangetragen wurde, empfand er einerseits seine eigene Bedeutungslosigkeit, doch gleichzeitig entbrannte in ihm auch die heilige Pflicht, etwas zu tun. Auch wenn die Beamten immer wegen irgendetwas in der öffentlichen Kritik standen, war er stolz auf seine Arbeit. Er hatte vielleicht keinen persönlichen Ehrgeiz, doch hatte er zumindest ein Gewissen.
Und in diesem, seinem dritten Jahr, wurde er von der Personalabteilung auf diese abgelegene Insel versetzt. Normalerweise fiel das in die Zuständigkeit der allgemeinen Abteilung, doch war man in den oberen Etagen auf die Idee verfallen, die jungen Beamten mehr Erfahrungen sammeln zu lassen, und die Wahl fiel auf Ryōhei. So landete er schließich im Rathaus auf Senju bei der allgemeinen Abteilung. Seine Dienstzeit hier betrug zwei Jahre. Als man ihm das mitteilte, zögerte er zunächst, sagte aber am folgenden Tag zu. Wenn er schon gebeten wurde, dann erwartete man offensichtlich auch einiges von ihm. Außerdem hatte er bis dato stets bei seinen Eltern gewohnt und wollte mal wissen, wie es war, alleine zu leben. Eine kleine einsame Insel hatte für das Großstadtkind Ryōhei zudem etwas Romantisches.
Die Insel mit ihren 2500 Bewohnern war ein geruhsames Fleckchen, wo Fischer und Bauern lebten. Einen Flughafen gab es nicht, und die einzige Verbindung zur Außenwelt war ein Linienschiff von Ōshima, der größten Insel, der Izu-Inselgruppe. Das Rathaus war mit nur vierzig Mitarbeitern eine kleine Behörde und Ryōhei war das Mädchen für alles.
Als er er dort ankam, überraschte ihn die perfekte Infrastruktur auf dieser einsamen Insel. Die Straßen waren sauber asphaltiert, und es gab von Bäumen gesäumte Gehwege. Auch die Bibliothek und die Sporteinrichtungen befanden sich in einem erstklassigen Zustand. Da sie allerdings nur von wenigen Bürgern genutzt wurden, waren die Unterhaltungskosten beträchtlich. Alle Einrichtungen auf der Insel schrieben rote Zahlen.
»Das weißte doch selbst am besten. Wir sind hier’n Gebietskörperschaftssteuer-Sonderbezirk. Wir wär’n ja schön blöde, wenn wir unser Budget nicht bis auf den letzten Yen verbrauchen«, meinte Muroi und lachte feist.
Das ganze Rathaus rechnete fleißig mit dem Etat, und Anzeichen
für eine Reform waren nicht zu bemerken. Man hatte einfach kein Bewusstsein für die Kosten.
Natürlich fühlte sich Ryōhei unangenehm dabei, passte sich aber
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