Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
breitbeinig und selbstbewusst.
»Hahaha«, lachte Nao fröhlich. Sie hätte die Kleine wohl doch besser nicht mitbringen sollen.
Ach je!, ließ Kaoru den Kopf hängen. Jugendliche sind grausam, weil sie vor nichts Angst haben.
Nach einer Weile beruhigte sie sich wieder etwas. Kumi und Mayumi hatten eigentlich eine gute Figur auf der Bühne gemacht.
Beneidenswert war sie, die echte, unverfälschte Jugend.
Nun sprang auch sie mit ihrer Tochter durch den Saal, bis ihr der Schweiß von der Stirn rann.
Bürgermeisterwahl
1 ___
Als Ryōhei Miyazaki dabei war, am Computer die Namensliste der Bürger im Seniorenalter einzugeben, klopfte ihm Bauabteilungsleiter Isoda von hinten auf die Schulter. Er beugte sich zu ihm runter und flüsterte Ryōhei mit seinem übelriechenden Atem zu: »Heute Abend haste doch frei, oder?«
Sofort verschlechterte sich Ryōheis Laune. »Tut mir leid, heute Abend bin ich zu einer Seniorenversammlung gerufen worden …«
Da er keine Lust hatte, Isoda Gesellschaft zu leisten, griff er augenblicklich zu dieser Notlüge.
»Versammlung? Dass ich nicht lache. Ist doch eh nix anderes als ein Karaokeabend unter alten Knackern. Das kannste auch einen Sozialarbeiter machen lassen. Alles klar? Also dann, um sechs im O-tafuku . Direktor Iwata vom Wahlverein und Herr Tsudahara von der Fischereigenossenschaft sind an einem Treffen interessiert.« Isoda machte Anstalten, ihm die Schulter zu massieren, und packte zu.
»Autsch!«, schrie Ryōhei auf und war sofort peinlich berührt von seiner Unbeherrschtheit.
»Da biste schon neun Monate hier auf der Insel und da sollteste dich allmählich mal entscheiden.« Isoda verzog höhnisch den Mundwinkel und starrte ihn herausfordernd an.
Ohne seine Dienstuniform würde Isoda mit seinem dunklen Gesicht und seinem Bürstenschnitt aussehen wie ein Fischer.
»Wer sich nich entscheiden kann, mit dem wird’s bös enden.«
Mit diesen Worten versetzte ihm Isoda einen Klaps auf den Hinterkopf.
Die Insel Senju, die vor der Küste der Izu-Halbinsel wie ein Klecks im Meer lag, gehörte verwaltungsmäßig zu Tokio, doch der Dialekt war ähnlich dem von Westjapan. Es hieß, die Insel habe als Strafkolonie gedient, auf die in der Edo-Periode verurteilte Verbrecher von der Pazifikseite Japans verschickt worden waren. Wohl aus diesem Grund war das Gemüt der Inselbewohner ausgesprochen schlicht. Wenn man ohne ersichtlichen Grund lächelte, hieß es gleich: »Is’ was?«
Leise seufzte er und schaute auf. In der Verlängerung seines Blicks stand sein direkter Vorgesetzter in der Abteilung für allgemeine Angelegenheiten, der Abteilungsleiter Muroi, der ihn mit zusammengekniffenen Augen ansah. Ohne etwas zu sagen, winkte er ihn mit dem Kinn zu sich. Was will der von mir?, dachte Ryōhei und ging zu Murois Platz am Fenster. Der lehnte sich tief in seinen Stuhl zurück, dass es quietschte, und fragte:
»Was hatt’n der Isoda von dir gewollt?«
»Er hat mich gefragt, ob wir heute Abend einen trinken gehen«, antwortete Ryōhei offen.
»Kommt gar nich’ in die Tüte. Klaro?«, sagte Muroi in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er trug eine Kurzhaardauerwelle, und sah man ihn in privater Kleidung auf der Straße, könnte man glauben, einen Yakuza vor sich zu haben.
»Kann ich sagen, dass Sie dagegen sind?«
»Idiot. Deinen Arsch wischste dir gefälligst selber ab!«
»Meinen Arsch …?« Ryōhei machte böse Augen. »Ich habe doch gar nichts gemacht.«
»Nix zu machen ist am schlimmsten, zumindest hier auf dieser Insel.«
Muroi lachte hämisch, zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in Richtung Zimmerdecke. In dem Rathausgebäude, das in seiner Pracht überhaupt nicht zu dieser abgelegenen Insel passte, herrschte noch kein Rauchverbot. Aufgrund der vielen starken Raucher hatte die ursprünglich weiße Wand angefangen, eine gelbliche Farbe anzunehmen.
An dieser Wand hing ein druckfrisches Poster:
Mit vereinten Kräften - für eine saubere Wahl
Der Senju-Wahlausschuss
Das Plakat war so verlogen, dass man noch nicht einmal Lust bekam, Witze darüber zu machen. Heute wurde die Bürgermeisterwahl angekündigt, die alle vier Jahre stattfand. Die Wahl auf Senju war berühmt für ihre Härte. Jedes Mal spaltete sich die Bevölkerung in das Lager des ehemaligen Bürgermeisters und das des gegenwärtigen Bürgermeisters, die sich beide auf das Heftigste bekämpften. Auf der Insel durfte man nicht abseits stehen, was sich auch in einer
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