Die merkwuerdigen Faelle des Dr. Irabu
von Zusehen wurde ihm übel.
»Also, runter damit!«
Da er endlich nach Hause wollte, beschloss er alles auf einmal zu trinken, doch schon nach der Hälfte klappte er zusammen.
»Was’n los? Die jungen Kerle von heute vertragen wirklich nix mehr …«, waren die letzten Worte, die er hörte.
2 ___
Am folgenden Tag war wunderschönes Wetter. Es herrschte Windstille, und die Wellen des Meeres plätscherten sanft vor sich hin. Über dem Hafen von Senju flatterte ein kreischender Möwenschwarm. Ihr Geschrei hallte schmerzhaft in Ryōheis verkaterten Kopf wider. Auch sein Magen fühlte sich schwer an.
Er konnte sich nicht erinnern, wie er gestern nach Hause gekommen war.
Auf dem Meer sah er ein rot-weißes Schnellboot, das, hohe Fontänen spritzend, mit großer Wucht näherkam. Es war am Takeshiba-Kai in Tokio gestartet und hatte an verschiedenen Inseln des Izu-Archipels Zwischenstopp gemacht, bevor es nach über drei Stunden Fahrt in Senju ankam. Täglich gab es vier dieser Linienboote, die jedoch bei hohem Wellengang oft ausfielen. Wenn ein Taifun näherkam, konnte es vorkommen, dass die Insel für mehrere Tage vom Festland abgeschnitten war und so im wahrsten Sinne des Wortes zu einer einsamen Insel wurde.
Auf Senju gab es ein Behandlungszentrum, das von der Stadt betrieben wurde. Der diensthabende Arzt kam in der Regel von der Medizinischen Hochschule Jichi, meist jedoch nur für eine kurze Zeit. Die Insel wollte eigentlich jemanden, der sich hier permanent niederlassen würde, doch war keiner bereit, auf Dauer in diesem abgelegenen Ort als Arzt zu arbeiten. Daher gaben sich hier seit einigen Jahren alle paar Monate die Ärzte die Klinke in die Hand.
Hoffentlich ist der Arzt ein guter Mensch, dachte Ryōhei, während er die Akten studierte, die man ihm zugeschickt hatte. Sein Name war Ichirō Irabu, 37 Jahre, Fachgebiet Internist.
Er war in der Irabu-Poliklinik beschäftigt, die in Tokio einen guten Ruf hatte. Seinem Namen nach zu urteilen, gehörte er wohl zu der Familie, die dieses Hospital betrieb. Das konnte sehr wohl bedeuten, dass er sich aus einem Gefühl der Hilfsbereitschaft für diesen Dienst gemeldet hatte.
Die Sirene ertönte, als das Schnellboot in den Hafen einfuhr. Als sein Rumpf den Landungssteg berührte, flogen auch schon die Leinen über die Reling. Ryōhei half dabei, den Laufsteg aufzulegen.
Die Bewohner, die in Tokio ihren Geschäften nachgegangen
waren, verließen einer nach dem anderen das Schiff. Touristen kamen in dieser Jahreszeit nicht. Unter all den mehr oder minder bekannten Gesichtern kam ein dicker Mann in einer aufgeplusterten Daunenjacke herunter. Ihm folgte eine junge Frau mit einem Gitarrenkasten in der Hand.
Der Mann hatte eine auffällige Sonnenbrille mit dem Chanel-Logo auf, die Frau trug einen Leopardenfellmantel und kaute geräuschvoll auf einem Kaugummi.
»Ist ja tiefste Provinz hier!«, beklagte sich der Mann und ließ seinen Blick schweifen.
Insgesamt kamen von Bord nicht mehr als zehn Passagiere, die in die am Hafen geparkten Autos stiegen und davonfuhren. Übrig blieben allein der dicke Mann und die junge Frau, die ziemlich fehl am Platz wirkten. Mit anderen Worten …
»Entschuldigen Sie bitte, sind Sie Herr Doktor Irabu?«, fragte Ryōhei, während er das Gesicht seines Gegenübers betrachtete.
»Ja, bin ich. Warum?«, antwortete der Mann mit einer Kinderstimme.
Ryōhei sah sich den Arzt genauer an, dessen Haar zerzaust war und der alles in allem aussah wie der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-il, bevor er abmagerte.
»Mein Name ist Miyazaki, und ich heiße Sie im Namen der Stadt willkommen. Wir freuen uns, dass Sie uns zwei Monate Ihre Dienste anbieten.« Ryōhei überreichte ihm seine Visitenkarte und verbeugte sich höflich.
»Muss ich wirklich zwei Monate hierbleiben?«
»Wie meinen …?«
»Würden es nicht auch zwei Wochen tun?«, sagte Irabu und entblößte dabei seine Zähne. »Mein Vati wollte nur gut Wetter bei der Ärztevereinigung machen und hat mich deshalb auf diese abgelegene Insel geschickt. Ist natürlich ein leicht zu
durchschauendes Manöver. An unsereins denkt der natürlich nicht«, grummelte Irabu, während er sich den Kopf kratzte.
Von Hilfsbereitschaft keine Spur. Ryōheis Vorfreude schwand rapide.
»Ach ja, Herr Miyazaki, gibt es auf dieser Insel einen Videoladen?«
»Nein, leider nicht.«
»Ein Geschäft für Spielzeugmodelle?«
»Auch nicht.«
»O je, dann muss ich mir was aus Tokio schicken lassen.«
»Herr
Weitere Kostenlose Bücher