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Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin

Titel: Die Merle-Trilogie 01 - Die Fließende Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gewaltiges Spektakel.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, meldete sich die Fließende Königin. »los, lauf hinüber zum Campanile!«
    »Aber das Feuer…«
    »Wenn du links vorbeiläufst, schaffst du es. Bitte, Merle – das hier ist der beste Augenblick!«
    Merle rannte los. Der Turm erhob sich im Winkel des L- förmigen Platzes. Sie musste an der gesamten Länge des feurigen Spalts vorüberlaufen, vorbei am Rücken des Höllenboten, der mit dem Gesicht zum Palast über den Flammen schwebte. Der Gestank nach Schwefel war überwältigend. Der Bote fuhr fort, aber Merle hörte kaum hin. Auf das Angebot der Höllenfürsten einzugehen mochte auf den ersten Blick verlockend erscheinen - doch es genügte, das Ekel erregende Geschöpf nur anzusehen, um zu erkennen, dass die Venezianer mit einem solchen Pakt vom Regen in die Traufe gerieten. Gewiss, es mochte gelingen, das Imperium zu schlagen und von der Lagune fern zu halten. Doch welche neuen Statthalter würden statt der Sphinx-Kommandanten in die Paläste der Stadt einziehen, und welche Opfer würden sie verlangen?
    Merle hatte die halbe Strecke bis zum Campanile zurückgelegt, als ihr bewusst wurde, dass sein Eingang unbewacht war. Die Torwächter hatten sich den Trupps vor dem Palast angeschlossen. Mindestens einhundert Gewehrmündungen zeigten jetzt auf den Boten, und mit jeder Minute kamen neue hinzu. Die Löwen am Boden, alle ungeflügelt und aus Granit, scharrten wütend mit den Krallen und zogen Furchen in das Pflaster der Piazza. Ihre Reiter hatten Mühe, sie im Zaum zu halten.
    »Von jedem Bewohner der Stadt ein Tropfen Blut«, rief der Höllenbote in die Menge. »Nur ein Tropfen von jedem, und der Pakt ist besiegelt. Bürger von Venedig, besinnt euch! Wie viel Blut wird euch das Imperium abverlangen? Wie viele von euch werden beim Kampf um die Lagune sterben, und wie viele Tote wird später die Herrschaft des Pharaos fordern?«
    Ein kleiner Junge, höchstens sieben Jahre alt, riss sich von seiner entsetzten Mutter los und rannte auf kurzen Beinen an den Soldaten vorbei auf den Boten zu.
    »Die Fließende Königin beschützt uns!«, rief er zu der Kreatur hinauf. »Wir brauchen eure Hilfe nicht!«
    Die panische Mutter wollte hinterherlaufen, doch andere hielten sie fest. Sie wehrte sich, schlug um sich, konnte sich aber nicht befreien. Immer wieder brüllte sie den Namen ihres Kindes.
    Der Junge blickte noch einmal trotzig zu dem Boten empor. »Die Fließende Königin wird uns immer beschützen!« Dann drehte er sich einfach um und lief zurück zu den anderen, ohne dass der Bote ihm etwas zu Leide tat.
    Bei den Worten des Kleinen hatte Merle einen Stich in der Brust verspürt. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie begriff, dass es nicht ihre eigene Empfindung war. Es war der Schmerz der Fließenden Königin, ihre Verzweiflung, ihre Scham.
    »Sie verlassen sich auf mich«, sagte sie tonlos. »Sie alle verlassen sich auf mich. Und ich habe sie enttäuscht.«
    »Sie wissen doch noch gar nicht, was mit dir passiert ist.«
    »Sie werden es bald erfahren. Spätestens, wenn die Kriegsgaleeren des Pharaos in der Lagune vor Anker gehen und die Sonnenbarken Feuer vom Himmel speien.« Sie schwieg einen Moment, dann setzte sie hinzu: »Ihr solltet das Angebot des Boten annehmen.«
    Merle wäre vor Schreck beinahe über ihre eigenen Beine gestolpert. Nur noch zwanzig Meter bis zum Turm.
    »Was?«, rief sie aus. »Ist das dein Ernst?«
    »Es ist eine Möglichkeit.«
    »Aber… die Hölle! Ich meine, was wissen wir denn über sie?« Und rasch fügte sie hinzu: »Allein die Forschungsergebnisse von Professor Burbridge reichen schon aus, um sie… na ja, um sie zum Teufel zu wünschen.«
    »Es ist eine Möglichkeit«, sagte die Königin noch einmal. Ihr Tonfall war ungewohnt matt und kraftlos.
    Die Worte des kleinen Jungen schienen sie zutiefst berührt zu haben.
    »Ein Pakt mit dem Teufel ist nie eine Möglichkeit«, widersprach Merle und schnappte nach Luft. Laufen und Diskutieren überforderte ihre Kondition. »Das erzählen einem schon die alten Geschichten. Jeder, der sich auf so etwas eingelassen hat, stand am Ende als Verlierer da. Jeder!«
    »Wieder sind es nur Geschichten, Merle. Weißt du denn, ob es wirklich einmal jemand versucht hat?«
    Merle blickte über die Schulter zurück zu dem Boten inmitten der Flammen. »Schau ihn dir doch an! Und komm mir jetzt nicht mit klugen Sprüchen wie: Man soll einen Menschen nicht nach seinem Äußeren beurteilen! Er ist ja

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