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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Hand. Dann schnurrte er wohlig, wedelte ein paar Mal mit dem Schwanz und schloss die Augen.
    Merle blieb noch einen Moment länger bei ihm sitzen, dann rappelte sie sich mit wackligen Knien hoch und kletterte zum äußeren Steinwulst des Riesenohrs.
    Beeindruckt blickte sie hinab in die Tiefe. Die triste Landschaft zog ein paar hundert Meter unter ihnen dahin, so eintönig, dass es nichts, aber auch gar nichts gab, woran sie ihren Blick hätte festmachen können. Wahrscheinlich waren sie ohnehin zu schnell. Sie bezweifelte, dass Vermithrax auch nur die Hälfte dieser Geschwindigkeit über längere Zeit hätte beibehalten können.
    »Was für ein trostloser Ort!«, flüsterte sie mit einem Stöhnen. »Ob Lord Licht jemals versucht hat, hier irgendwas zu pflanzen? Ich meine, um ein wenig Farbe hineinzubringen. Ein bisschen Abwechslung.«
    » Warum sollte er? Hier lebt nichts. Zumindest nichts, das solche Bemühungen zu schätzen wüsste. Oder glaubst du, die Lilim oben im Lager würden sich über ein paar bunte Blumen freuen?«
    »Du musst es ja nicht gleich ins Lächerliche ziehen.«
    »Das will ich gar nicht. Nur musst du in dieser Welt andere Maßstäbe anlegen. Andere Begriffe. Andere Vorstellungen. «
    Merle schwieg und lehnte sich zurück. Dann aber kam ihr ein Gedanke, der sie gleich wieder auffahren ließ.
    »Wenn diese Köpfe so etwas wie Flugmaschinen sind, wie die Sonnenbarken des Imperiums, dann müsste doch jemand darin sein, oder? Jemand, der sie steuert!«
    »Wir sind allein.«
    »Bist du sicher?«
    »Ich würde es spüren. Und Vermithrax, glaube ich, auch.«
    Merle streckte sich auf dem harten Stein aus, beobachtete eine Weile den schlummernden Obsidianlöwen, um dann wieder hinaus in die Landschaft der Hölle zu schauen. Was für ein sonderbarer Ort! Sie versuchte sich zu erinnern, wie Professor Burbridge ihn bereist hatte, aber ihr fiel nichts dazu ein. Allerdings hatte sie auch keines seiner Bücher wirklich gelesen; ihr Lehrer im Waisenhaus hatte ihnen ein paar Passagen vorgetragen, doch das meiste, was sie gehört hatte, waren Zusammenfassungen aus zweiter Hand gewesen. Einige Beschreibungen, das war schon alles. Jetzt bedauerte sie, dass sie sich damals nicht stärker dafür interessiert hatte.
    Recht gut erinnerte sie sich hingegen an die Gefahren der Hölle, auf die Burbridge in seinen Berichten eingegangen war. Grausame Kreaturen, die auf arglose Opfer warteten, hinter jedem Stein und jedem… ja, Baum. Sie war sicher, dass von Bäumen die Rede gewesen war. Von Bäumen aus Eisen, mit Blättern wie Rasierklingen. Nun, hier jedenfalls, in diesem Teil der Hölle, schien es keine Pflanzen zu geben, weder aus Eisen noch aus Holz.
    Auch entsann sie sich gut der barbarischen Wesen, die in gewaltigen Stämmen über die Ebenen zogen, Landschaften, die in ewiges Feuer gehüllt waren, an Berge, die Flügel entfalteten und davonflogen, und an Schiffe aus Menschenknochen, die über die Lavaozeane der Hölle segelten. All das waren Bilder, die ihr gut im Gedächtnis geblieben waren, so sehr hatten sie Merle damals beeindruckt.
    Und nun war da nichts von alldem.
    Sie war enttäuscht und erleichtert zugleich. Die Lilim in der Felswand waren für ihren Geschmack mörderisch genug, und sie konnte auf Kannibalenstämme und Riesenungeheuer gut und gern verzichten. Dennoch fühlte sie sich ein wenig hintergangen, so als entpuppten sich all die infernalischen Bilder nun nach Jahren als pure Hirngespinste.
    Aber die Hölle war gigantisch, und so wie oben auf der Erde mochte es auch hier unten die unterschiedlichsten Landschaften und Kulturen geben. Wenn ein Reisender aus einer anderen Welt irgendwo in der Sahara abgesetzt würde, wäre er gewiss auch enttäuscht, hätte man ihm vorher von den prächtigen Palästen Venedigs und dessen verzweigten Kanälen berichtet. Mehr noch, er würde vielleicht nicht einmal glauben können, dass sie überhaupt existierten.
    Merle kletterte wieder an dem äußeren Steinwulst hinauf und spähte auf den Felsboden, der tief unter ihnen dahinraste. Keine Veränderung, keine Spur von Leben. Seltsamerweise spürte sie keinen Windzug, keinen Sog, der bei dieser Geschwindigkeit eigentlich hätte entstehen müssen.
    Ein wenig gelangweilt, selbst nach allem, was sie durchgemacht hatte, wandte sie ihren Blick nach hinten, hinüber zu dem zweiten Steinschädel, der ihnen in einiger Entfernung folgte. Den dritten konnte sie von hier aus nicht sehen, er befand sich auf der anderen Seite.
    Abrupt

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