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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ein König?«
    »Er herrscht über die Hölle«, sagte die Königin nachsichtig. »Aber hier unten ist einiges anders als an der Oberwelt.«
    Merle konnte ihren Blick nicht von dem rauen Felsenland lösen. Sie erkannte keinen großen Unterschied zu Einöden, die sie auf Zeichnungen und Stichen gesehen hatte. Ein Wüstenvolk wie die Ägypter hätte sich hier unten vermutlich recht wohl gefühlt.
    Da kam ihr ein Gedanke, und er traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. »Du kennst ihn!«
    »Nein«, sagte die Fließende Königin tonlos.
    »Woher weißt du dann, dass er keinen Thron hat? Dass er nicht so ist wie andere Herrscher?«
    »Nur eine Vermutung.« So wortkarg gab sich die Königin selten.
    »Eine Vermutung, ja?« Ihre Stimme klang jetzt vorwurfsvoll und zornig, selbst Vermithrax schaute irritiert herüber. »Deshalb wusstest du auch so genau, wo sich der Zugang befindet«, stieß Merle hervor. »Und dass hier unten alles anders ist als oben… Aber da hast du dich ausnahmsweise mal geirrt. So anders ist es gar nicht. Für mich jedenfalls sieht es aus wie eine normale Grotte.« Sie hatte nie eine Grotte mit eigenen Augen gesehen, aber das spielte jetzt keine Rolle. Bessere Argumente hatte sie nicht.
    »Diese Grotte, Merle, besitzt wahrscheinlich eine Fläche, die so groß ist wie der halbe Planet. Vielleicht ist sie noch sehr viel größer. Und wie sonst würdest du die Lilim bezeichnen, wenn nicht als,anders '?«
    »Aber das war es nicht, was du vorhin gemeint hast«, sagte Merle überzeugt. Sie hatte genug davon, bei jeder ihrer Diskussionen klein beizugeben. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit jemandem zu streiten, dem man nicht in die Augen sehen konnte und dessen Stimme nicht wirklich war. »Ich verstehe nicht, warum du nicht ehrlich zu mir… zu uns bist.«
    Vermithrax bürstete sich mit einer Tatze die Schnurrhaare, doch ihm entging kein Wort. Anhand dessen, was Merle sagte, konnte er den Verlauf des Gesprächs nur erahnen.
    Wieder einmal dachte sie, dass es einfach nicht fair war, dass nur sie die Königin hören konnte. Und sich mit ihr streiten musste.
    »Ich habe das eine oder andere Gerücht über Lord Licht gehört, Dinge, die die Meerjungfrauen aufgeschnappt haben. Das ist alles.« »Was für Gerüchte?«
    » Darüber, dass er kein gewöhnlicher Herrscher ist. Ihm geht es nicht um Macht.«
    »Worum sonst?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es nicht.«
    »Aber du hast eine Ahnung.«
    Die Königin schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Um was kann es einem Herrscher über ein ganzes Reich gehen, wenn nicht um Macht? Und wie groß könnte dann überhaupt sein Einfluss auf seine Untertanen sein? Die Lilim in der Felswand haben nicht ausgesehen, als würden sie von irgendwem Befehle aus purer Demut entgegennehmen. «
    »Um was also geht es ihm?«, fragte Merle beharrlich.
    »Um Wissen, denke ich. Er mag diese Welt regieren, aber vor allem, denke ich, erforscht er sie.«
    »Erforscht? Aber -«
    Ein lauter Ausruf des Löwen unterbrach sie. »Merle! Dort drüben!«
    Sie wirbelte herum und hätte dabei fast das Gleichgewicht verloren. Einen Atemzug lang war die Kante der Steilwand gefährlich nah, die Felsen zu ihren Füßen sprangen Merle entgegen. Dann fing sie sich wieder, wich hastig vom Abgrund zurück und folgte mit den Augen Vermithrax’ Blick.
    Im ersten Moment entdeckte sie überhaupt nichts, nur leeres Rot über der Weite des Ödlands. Dann begriff sie, dass die Raubtieraugen des Löwen viel besser sahen als ihre eigenen. Was immer er erspäht hatte, musste sich noch außerhalb ihres Sichtfelds befinden.
    Aber es dauerte nicht lange, da sah auch sie es. Und was immer es war, es kam näher.
    »Was ist das?«, stieß sie hervor, atemlos und mit einem Mal von einer Flut entsetzlicher Bilder bedrängt; Phantasien von geflügelten Lilim, tausenden davon, tanzten in ihrem Geist.
    Doch es waren keine tausend, sondern nur drei. Und obwohl sie hoch über den Felsen schwebten, besaßen sie keine Flügel.
    »Sind das…«
    »Köpfe«, sagte Vermithrax. »Gigantische Köpfe.« Und nach einem Augenblick fügte er hinzu: »Aus Stein.«
    Sie schüttelte den Kopf, nicht weil sie an seinen Worten zweifelte, sondern weil es die einzige Reaktion war, die ihr angemessen erschien. Köpfe aus Stein. Hoch in der Luft. Natürlich.
    Aber nach einer Weile konnte sie sich mit eigenen Augen überzeugen, sah die Köpfe näher kommen, ziemlich schnell sogar, schneller noch, als Vermithrax fliegen konnte, dessen war sie

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