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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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auch die anderen.
    Sie waren verraten worden.
    Und Lalapeja war nirgends zu sehen.
    Serafin stieß einen Schrei aus, der selbst den Mumienkrieger innehalten ließ. Gleichzeitig durchschlug er seine Abwehr, ließ erst das Sichel sch wert, dann den grauen Totenschädel splittern. Unke erledigte einen zweiten, und nun setzten sich die vier Sphinxe in Bewegung, kamen näher. Durch die Lücken zwischen ihnen sah Serafin, dass der Jaguardiwan leer war. Auch vom Wesir fehlte jede Spur.
    »Lalapeja!«, brüllte er wutentbrannt, aber niemand gab Antwort. Dario warf ihm einen Blick zu, der Serafin seltsam leer erschien, so als hätte eine unsichtbare Hand jeden Traum, jeden Funken Hoffnung aus den Augen des Jungen gewischt.
    Unke packte Serafin am Arm und zerrte ihn zurück in den vorderen Saal. Dort stand Tiziano, er hatte den Revolver gezogen und schoss blindwütig um sich, bis Dario ihm mit der Faust die Waffe aus der Hand schlug, aus Angst, die Kugeln könnten einen von ihnen treffen.
    Keine Spur von Lalapeja. Nirgendwo.
    Durch die Vordertür strömten weitere Mumienkrieger in den Saal und versperrten ihnen den Fluchtweg. Gehetzt blickte Serafin sich um. Sein Blick fiel auf Boro, der eine kleine Flasche von seinem Gürtel riss und in einem Zug austrank. Seine Wangen blieben gefüllt, er schluckte den Inhalt nicht. Dann riss er eine Zündholzdose aus der Tasche, entfachte in seiner Handfläche eine Flamme und spie die Flüssigkeit darüber hinweg in die Richtung der Mumienkrieger. Seine Hand lieferst rot, dann schwarz an, doch das kümmerte ihn nicht; er scherte sich auch nicht um Dario und Aristide, die sich gerade noch mit gewagten Sprüngen in Sicherheit bringen konnten, ehe das Feuer über sie hinwegleckte und in die Reihen der anrückenden Mumienkrieger schlug.
    »Raus hier!«, brüllte Unke, als hinter ihr eine Flammenwand emporschoss, ein Chaos aus taumelnden, lodernden Leibern, die das Feuer untereinander weitergaben, bis sich der vordere Teil des Saals in eine fauchende Flammenhölle verwandelt hatte.
    »Zurück!«, schrie auch Serafin, doch Boro gehorchte nicht. Immer noch spuckte er seinen Flammenatem den Gegnern entgegen. Er hielt erst inne, als das Feuer ihn fast erreicht hatte. Mit einem raschen Blick schätzte er die Lage ein, sah die Freunde, sah die rettende Fluchttür, und endlich setzte er sich in Bewegung.
    Zu spät. Einer der Sphinxe, die mit weiten Sätzen durch das Portal sprangen, ohne dem Feuer auf der anderen Seite des Raumes nahe zu kommen, erreichte Boro, gerade als dieser sich der Geheimtür zuwenden wollte. Das Sichelschwert, so lang wie ein kleiner Baum, fuhr herab und traf.
    Serafin schrie auf, wollte sich in den Saal stürzen, als dieser sich abermals mit Gegnern füllte. Und schon wurde er mitgerissen, gemeinsam stürmten sie hinter Unke die enge Treppe hinauf, gefolgt von Tiziano und Aristide. Oben angekommen, warf Serafin einen Blick zurück und sah, dass die Sphinxe mit zornigen Schreien am Treppenabsatz standen: Der Schacht war zu eng und niedrig, mit ihren Löwenleibern passten sie nicht durch die Tür. Falls sie es dennoch versucht hätten, wäre es ein Leichtes gewesen, sie von den oberen Stufen aus zu erschlagen.
    Daran aber dachte keiner der Fliehenden. Selbst Serafin, der mehr waghalsige Fluchten erlebt hatte als alle anderen zusammen, spürte in sich nur Panik, nur eisiges Entsetzen. Er sah sich durch die Bleikammern stürmen wie einen Fremden, hinaus in das runde Treppenhaus und die Stufen hinunter. Falls jemand sie hier erwartet hätte, hätte er leichtes Spiel gehabt: Nur Dario trug noch seinen Säbel. Tiziano hielt seinen Revolver in der Hand, ohne zu bemerken, dass er aufgeklappt und alle Patronen aus der Trommel gefallen waren. Aristide schließlich war unbewaffnet und presste im Laufen beide Handflächen auf die Ohren, als könnte er so die Außenwelt aussperren.
    Nacheinander sprangen sie durch die Luke in die Tiefe. Niemand nahm sich die Zeit, den Deckel auf die Öffnung zu ziehen; die Ägypter würden ohnehin herausfinden, welchen Fluchtweg sie genommen hatten.
    »Zur Anlegestelle«, rief Unke keuchend.
    Keiner fragte nach Lalapeja. Sie war nicht bei ihnen, und alle ahnten, weshalb. Jetzt, als sie hintereinander durch die Dunkelheit der geheimen Wege liefen, mit den Füßen in Pfützen patschten und Acht geben mussten, sich die Schädel nicht an den tiefen Decken und Stützträgern anzuschlagen, kam Serafin zum ersten Mal der Gedanke, dass er es hätte verhindern

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