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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schweifen.
    »Nicht mehr hier«, sagte er. »Nicht mehr hier.«
    »Wo sind meine Freunde?«
    »In Sicherheit.«
    »Das behaupten Sie nur.«
    »Keinem ist etwas geschehen. Obwohl sich der Löwe gewehrt hat wie« - er kicherte -, »nun, wie ein Löwe.«
    »Wann kann ich sie wieder sehen?«
    Der Chirurg legte den Kopf leicht schräg, so als müsste er tatsächlich über die Antwort nachdenken. »Warten wir’s ab. Geduld. Du wirst bald lernen, Geduld zu haben.«
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie ein zweites Mal.
    »Das ist einfach«, sagte er. »Ich werde dein Herz austauschen. Gegen ein besseres. Eines aus Stein.«
    »Aber -«
    »Es wird schnell gehen«, unterbrach er sie. »Meine Missgeschicke mit diesen bedauerlichen Wesen hier liegen lange zurück. Heute ist das kein Problem mehr. Ich bin vielleicht alt, aber ich lerne immer noch dazu, mit jedem neuen Herz. Jedem Herz.«
    Merles Pulsschlag dröhnte jetzt so laut in ihren Ohren, dass sie seine Worte kaum noch verstehen konnte.
    Instinktiv wich sie zurück bis zum Treppengeländer, hielt sich dort fest.
    »Bald hast du alles vergessen. Alles vergessen, glaub mir.«
    Das hier macht ihm Spaß, dachte Merle voller Abscheu. Deshalb hat er mich hier heruntergebracht: Er will, dass ich sehe, was er tut. Und er will, dass ich nach den Details frage.
    Er bestätigte ihre Befürchtung. »Frag nur, frag nur! Je schneller dein Herz schlägt, umso leichter ist die Operation. Dein Herz ist stark, nicht wahr? So stark.«
    Sie zögerte, dann sagte sie: »Sie sind ein Mensch, oder? Ich meine, ein echter… Kein Gestaltwandler oder so was.«
    »Aber gewiss.«
    »Kommen Sie von oben?«
    »Warum willst du das wissen?«
    Sie suchte schnell nach einer Antwort, die ihn zufrieden stellen und dazu verleiten würde weiterzu sprechen. »Ich war schon bei vielen Ärzten«, log sie. »Und es gibt nichts, wovor ich mehr Angst hätte als vor Ärzten aus der Oberwelt, das können Sie mir glauben.« Vielleicht half es, wenn er sie für ein wenig naiv hielt.
    »Gute Idee«, sagte die Fließende Königin.
    »Ich war auch schon Arzt in der Oberwelt«, erklärte der Alte selbstzufrieden. »In der Oberwelt war ich Arzt, ganz genau. Vor mir haben schon viele Angst gehabt. Das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Nicht schämen.«
    »Wie lange sind Sie schon hier unten?«
    »Viele Jahre. So viele.«
    »Und was hat Sie hergeführt?« Als sie sah, dass er argwöhnisch wurde, setzte sie schnell hinzu: »Ich meine, waren Sie ein Verbrecher oder so was? Haben Sie mit den Leuten rumexperimentiert? Dann wüsste ich wenigstens, warum ich solche Riesenangst habe.«
    Er betrachtete sie einen Moment lang, dann nickte er unmerklich. »Experimente, ja. Aber keine Verbrechen. Ich war Wissenschaftler. Bin immer noch Wissenschaftler. Wie wir alle.«
    »Sind noch mehr Menschen hier unten?«, fragte Merle den alten Mann.
    Er klopfte mit einer Krücke auf das Bodengitter, zweimal, dreimal, dann lächelte er. »Horchst mich aus, hm? Aber jetzt ist’s gut damit. Wir wollen anfangen. Wollen anfangen.«
    Merle machte rückwärts einen Schritt die Treppe hinauf, doch ihre Füße rutschten auf etwas Weichem, Glitschigem aus. Sie verlor den Halt, konnte sich gerade noch nach vorn abstoßen, um nicht mit dem Rücken auf die scharfen Metallstufen zu krachen, und schlitterte der Länge nach zu Boden.
    Als sie aufblickte, setzte sich hinter ihr das Schlangennest zusammen; ein Teil von ihm bedeckte noch immer die Treppe wie ein Ölfilm, schillernd in allen Regenbogenfarben.
    »Nein!«, rief sie aus, sprang hoch und wirbelte zu dem Alten herum. Er war krank, geschwächt und kaum größer als sie. Eher würde sie versuchen, ihn anzugreifen, als zuzulassen, dass man ihr ein Herz aus Stein einsetzte.
    »Zu spät«, sagte die Königin.
    Merle spürte es im selben Moment. Ihre Beine wurden kalt, als der wimmelnde Schlangenteppich sich an ihr emporschob, schneller, als sie reagieren konnte. In Windeseile bedeckte eine lückenlose Schicht aus glänzenden Schlangen ihre Beine, ihren Bauch, glitt immer weiter hinauf bis zu den Schultern und von dort aus die Arme entlang, bis die kühlen, sich windenden Kreaturen ihren ganzen Leib umschlossen wie ein hautenger Anzug. Nur Merles Kopf ließen sie unangetastet.
    Sie wollte sich wehren, aber es war vergeblich. Ohne ihr eigenes Zutun ging sie vorwärts, begann mit dem Aufstieg die Stufen hinauf. Die Schlangen kontrollierten ihre Arme und Beine, bewegten sie wie eine Puppe.
    Merle

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