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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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verbliebenen Golemkrieger auf, nur ganz kurz, um die Lage einzuschätzen, ging dann wieder in Deckung und sandte zwei Golems in Seths Richtung. Die Steingiganten eilten mit dröhnenden Schritten los. Der Horuspriester wollte ihnen Zaubersprüche entgegenschleudern, doch als er seine Lippen öffnete, drang nur Blut hervor, roter Schaum, der über sein Kinn lief und seine Brust besudelte.
    »Iskander!«, schrie er lang gezogen in die allgegenwärtige Helligkeit. Im selben Augenblick erreichten ihn die Golems, wollten ihn packen - und dann war Seth plötzlich fort, und ein mächtiger Falke schoss taumelnd zwischen den Steinkriegern hervor, drehte angeschlagen einen Kreis über Burbridge und raste dann aufwärts, verschwand spurlos im Lichtdunst der Kuppel.
    Ein metallisches Knirschen und Reißen ertönte, alarmierte Merle und Junipa und zog ihre Blicke hinauf zum Käfig.
    Es war Vermithrax gelungen, zwischen den Stäben hindurch einen gezielten Hieb in Iskanders Gesicht zu platzieren. Dabei hatte er ein handgroßes Stück Haut vom Schädel des Sphinx gefetzt wie alte Tapete. Aber Iskanders Brüllen unterschied sich auch im Schmerz nicht von den Lauten seiner wahnhaften Wut, sein Zerren und Rütteln wurde noch heftiger.
    Das Knirschen ertönte erneut, gefolgt von schrillem Bersten.
    Merle schrie auf. Junipas Hände gruben sich wie Zangen in ihre Arme, klammerten sich mit aller Kraft fest.
    Die Kette zerriss, und für den Bruchteil eines Augenblicks schien der Käfig im Nichts zu schweben, gehalten wie ein Kokon in einem unsichtbaren Spinnennetz.
    Dann stürzte er ab.
    Das Brüllen des Obsidianlöwen vermischte sich mit dem des Sphinx. Iskander stieß sich ab, gerade noch rechtzeitig, bevor ihn der Käfig mit in die Tiefe reißen konnte. Seine Schwingen peitschten die Luft und verursachten Wirbel im Lichtdunst der Kuppel. Er schwankte und taumelte, stabilisierte dann seine Position und blickte nach unten, wo der Käfig immer kleiner wurde.
    Merle riss sich von Junipa los, taumelte zum nächsten Geländer und blickte in den Abgrund.
    »Oh nein«, wisperte die Fließende Königin, immer und immer wieder.
    Der Käfig drehte sich im Sturz um sich selbst wie der Bauklotz eines Kindes. Vermithrax war in seinem Inneren kaum noch zu erkennen, nur ein schwarzer Schemen, der immer schmaler wurde, während er der Helligkeit entgegenstürzte. Dann verblasste der Käfig im gleißenden Dunst über der Wölbung; zuletzt verschwand die Kette, die wie ein eiserner Schweif hinter ihm herstürzte.
    Merle brachte keinen Ton heraus.
    Auch die Königin schwieg.
    Als Merle sich schließlich umwandte, mit zitternden Knien und Händen, die kaum in der Lage waren, sich am Geländer festzuhalten, war Junipa neben ihr. Junipa mit den Spiegelaugen, aus denen ihr die Glut des Steinernen Lichts mit eigener Intelligenz entgegenblickte. Der Eindruck schwand erst, als Junipa sich vorbeugte und die Reflexion auf den Scherben sich verschob.
    Jetzt sah Merle sich selbst darin, mit verweinten Augen und glänzenden Wangen, und sie war unendlich dankbar, als Junipa sie an sich zog, sie festhielt und dabei leise Worte des Mitgefühls murmelte, nichts Wichtiges, nichts von echter Bedeutung, doch in einem Tonfall, der zugleich beruhigend und aufmunternd war.
    Ein dröhnendes Krachen. Die beiden Mädchen wirbelten herum.
    Iskander ließ sich vom Schicksal des Obsidianlöwen nicht aufhalten. Wieder schoss er im Sturzflug hinab auf den Steg, doch diesmal raste er nicht über die Golems hinweg, sondern landete mitten unter ihnen. Schläge, die mächtige Bäume gefällt hätten, trafen ihn von allen Seiten, und schon färbte sich die Haut unter seinem Fell dunkelrot. Aber er wütete weiter unter seinen Gegnern.
    Für jeden Hieb, den er einsteckte, teilte er mehrere aus und zertrümmerte Golemkrieger in allen Richtungen. Steinsplitter wirbelten umher, trafen Merle und Junipa, und doch hatten die beiden keine Wahl, konnten nur zusehen, was weiter geschah.
    Von irgendwo her näherten sich jetzt weitere Lilim, geflügelte Kreaturen wie jene, die Merle zwischen den beiden Riesenstatuen am Tor von Axis Mundi gesehen hatte. Aber sie waren noch weit entfernt, kaum mehr als winzige Punkte über ihnen in der Helligkeit.
    Burbridge sprang zwischen den zersplitternden Steinkriegern umher, beide Arme schützend über den Kopf geschlagen, gebeugt, taumelnd, nur noch ein Mensch in Panik, der um nichts anderes als sein Leben fürchtete.
    Falls das Steinerne Licht in ihm gewesen war,

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