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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ruhige Minute mehr gehabt, keine echte Verschnaufpause.
    „Später", flüsterte sie, zog ihre Finger zurück und ließ den Spiegel wieder in der Knopftasche ihres Kleides verschwinden. Zu Junipa sagte sie: „Hier geht's nicht. Es wackelt zu sehr."
    „Irgendwas stimmt nicht", sagte mit einem Mal Seth.
    Vermithrax wurde langsamer. „Was meinst du?"
    „Warum begegnen wir niemandem?"
    „Es heißt, dass das Volk der Sphinxe nicht sehr groß ist", sagte Merle achselzuckend. „Zumindest hat man uns das erzählt."
    „Das ist wahr", sagte Seth. „Nicht mehr als zwei-, dreihundert. Sie pflanzen sich nicht mehr fort."
    „Das haben sie noch nie", sagte die Königin.
    Warum weißt du so viel über sie?, fragte Merle.
    „Alte Berichte." Zum ersten Mal glaubte Merle ganz deutlich zu spüren, dass die Königin log.
    Seth führ fort: „Aber sie sind immer noch genug, um ihre eigene Festung zu bevölkern."
    „Wenn neuerdings sogar die Barken von einem Sphinx gesteuert werden, fallen doch eine ganze Menge weg", sagte Merle.
    „Aber selbst wenn man die abzieht, die in Venedig oder bei Hofe in Heliopolis sind, müssten sich in der Festung noch weit über hundert aufhalten. Es ist ungewöhnlich, dass gerade hier oben alles wie ausgestorben ist."
    „Viel eicht sol ten wir uns darüber freuen, statt ein langes Gesicht zu machen", schlug Vermithrax vor, der naturgemäß an allem, was von Seth kam, etwas auszusetzen hatte.
    Der Priester senkte die Stimme. „Ja, viel eicht."
    „Immerhin waren draußen Patrouil en unterwegs", sagte Merle. „Irgendwo müssen die Sphinxe also stecken."
    Seth nickte und ging weiter. Sie mochten jetzt etwa fünfzig Meter abwärts gestiegen sein, aber noch immer nahm die Treppe kein Ende. Ein paar Mal gelang es Merle, einen Blick über die Brüstung zu werfen, aber von unten schimmerten ihr nur mehr und noch mehr Spiegel entgegen. Unmöglich, den Fuß der Treppe zu erkennen.
    Und dann, vollkommen unerwartet, gelangten sie ans Ende.
    Der Treppenschacht mündete in eine Halle, verspiegelt wie alles in dieser Festung. Die Wände bestanden aus unzähligen Spiegelflächen wie das Facettenauge eines Insekts.
    „Ich frag mich, wer die al e putzt", murmelte Merle, aber damit überspielte sie nur die Angst, die ihr die Umgebung einflößte. Der Saal mochte annähernd rund und leer sein, aber die sich tausendfach ineinander reflektierenden Spiegel machten es unmöglich, deutliche Abmessungen zu erkennen.

    Ebenso gut hätten sie durch ein Spiegellabyrinth aus engen Korridoren gehen können. Vermithrax' Glut, die ihnen aus allen Richtungen entgegenstrahlte, erleichterte die Dinge nicht gerade und blendete sie permanent. Nur Junipa störte sich nicht daran; mit ihren eigenen Spiegelaugen blickte sie durch die Helligkeit und die Illusion der Vervielfältigung hindurch.
    Jemand brüllte etwas.
    Im ersten Augenblick glaubte Merle, Seth hätte gerufen. Dann aber erkannte sie die Wahrheit: Sie waren umzingelt.
    Was auf den ersten Blick wie hundert Sphinxe erschien, die von allen Seiten auf sie zutraten, entpuppte sich bald als ein einziger.
    Der dunkelhaarige Mann mit dem Unterleib eines sandgelben Löwen war breitschultriger als alle Hafenarbeiter an den Kais von Venedig. Er trug eine mannslange Schwertlanze, deren Klinge Vermithrax' goldenen Glanz reflektierte; sie sah aus wie eine Fackel.
    Seth trat vor und sagte etwas auf Ägyptisch. Dann setzte er für alle verständlich hinzu: „Sprichst du die Sprache meiner... Freunde?"
    Der Sphinx nickte und wog die Schwertlanze einen Moment lang in Händen, ohne die Spitze zu senken. Sein Blick huschte immer wieder unsicher hinüber zu Vermithrax.
    „Ihr seid Seth?", fragte er den Horuspriester in Merles Sprache.
    „So ist es. Und ich habe das Recht, hier zu sein. Nur das Wort des Pharaos wiegt schwerer als das meine."
    Der Sphinx schnaubte. „Das Wort des Pharaos befiehlt, Euch gefangen zu nehmen, sobald man Euch sieht. Jedermann weiß, dass Ihr das Imperium verraten habt und auf der Seite" - er zögerte -
    „unserer Feinde kämpft." Sein kurzes Zaudern rührte wohl daher, dass er sich nicht vorstel en konnte, welche Feinde dem Imperium nach Jahrzehnten des Krieges noch geblieben waren.
    Seth senkte den Kopf, doch was auf den Sphinx demütig wirken mochte, war in Wahrheit die Vorbereitung zu - ja, was? Einem magischen Schlag, der seinen Gegner zerfetzen würde?
    Merle sollte es nie erfahren, denn im selben Moment bekam der Sphinx Unterstützung. Hinter ihm erschien

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