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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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aus uns geworden war."
    „Geschwafel", sagte die Königin, „nichts als Geschwafel"
    „Reden wir wieder über meine Mutter, ja?"
    „Klar", sagte der Schemen. „Was immer du willst."
    „Wo ist sie jetzt?"
    „Das letzte Mal, als ich sie gesehen habe, saß sie auf einer toten Hexe mitten im Meer." Er erzählte das mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er sie beim Kochen beobachtet.
    „Im Meer?", fragte Merle. „Bist du sicher?"
    „Ich weiß, wie das Meer aussieht", erwiderte er giftig.
    „Ja ... ja, sicher. Aber, ich meine, was hat sie da gemacht?"
    „Eine Hand ins Wasser gehalten und dabei einen magischen Spiegel erzeugt. Damit sie deine Hand halten konnte. Erinnerst du dich?"
    Merle war schrecklich verwirrt. „Du kannst sie also nur sehen, wenn sie eine Hand ins Wasser hält?"
    „Genau wie dich."
    „Und du hörst sie auch?"
    „Euch beide."
    „Aber warum kann ich sie dann nicht hören?"
    „Wir können jederzeit die Plätze tauschen", erwiderte er schnippisch.
    Merle überlegte eine Weile. „Du musst mir erzählen, was sie sagt. Weiß sie, wie sie mit dir sprechen kann?"
    „Sie hat ziemlich schnell spitzgekriegt, dass da außer ihrem Töchterchen noch jemand im Spiegel ist.
    Und sie war so höflich, mich erst mal nach meinem Namen zu fragen."
    „Oh ... Wie heißt du denn?"
    „Hab ich vergessen."
    „Aber wie -"
    „Ich hab gesagt, dass sie gefragt hat, nicht, dass ich ihr eine Antwort geben konnte."
    „Wie kann man denn seinen Namen vergessen?"
    „Wie kann man plötzlich zu einem Schmutzfleck auf einem Spiegel werden? Keine Ahnung. Das Einzige, an das ich mich erinnern kann, sind die letzten paar Sekunden im Zimmer meines Onkels.
    Davor ist alles weg. Aber ich hab das Gefühl, dass es allmählich wiederkommt. Manchmal erinnere ich mich an Kleinigkeiten, an Gesichter, sogar an Melodien. Vielleicht, wenn du mich noch ein paar Jahre länger in deiner muffigen Tasche rumschleppst, dann -"

    Diesmal war sie es, die ihn unterbrach. „Hör zu. Tut mir Leid, was mit dir passiert ist, aber dafür kann ich nichts. Keiner hat dich gezwungen, hinter deinem Onkel herzulaufen. Also - willst du mir nun helfen oder nicht?" „Ja, ja, ja", sagte er gedehnt.
    „Wenn du mit" - Merle zögerte -, „mit meiner Mutter reden kannst, dann könntest du ihr ausrichten, was ich sage. Und andersrum."
    „So 'ne Art Übersetzen, meinst du?"
    „Genau." Jetzt hat er's begriffen, dachte sie, und sogar die Königin seufzte irgendwo tief in ihren Gedanken.
    „Schätze, das könnte ich wohl machen."
    „Das wäre sehr nett."
    „Holst du mich dann manchmal aus deiner Tasche?"
    „Falls wir heil von hier wegkommen, finden wir viel eicht irgendeinen Weg, dich aus diesem Spiegel rauszubekommen."
    „Sei nicht zu großzügig mit Versprechen, die du vielleicht nicht einhalten kannst", sagte die Königin.
    „Das geht nicht." Der Schemen klang mit einem Mal betrübt. „Ich kann in deiner Welt keinen Körper annehmen. Alle haben das gesagt."
    „Viel eicht keinen Körper. Aber einen größeren Spiegel. Wie wär's mit dem Meer?"
    „Dann wäre ich so was wie ein Seefahrer, oder?"
    „Sozusagen."
    „Hmm ... ich schätze, das ginge in Ordnung." Und dann begann er ziemlich falsch ein Lied zu singen, irgendetwas über fünfzehn Mann auf einer Kiste von einem toten Mann. Ein ziemlicher Blödsinn, fand Merle.
    „Wir versuchend", sagte sie hastig, damit er mit dem Gegröle aufhörte. „Versprochen."
    „Merle?" Er klang plötzlich ernst. Ja?"
    „Merle ..."
    Ihr Atem ging rascher. „Was denn?" „Sie ist wieder hier. Deine Mutter, Merle ... sie ist hier bei mir."
    „Was, zum Teufel, tut sie da bloß?" Dario trat missmutig von einem Fuß auf den anderen. Der Schnee knirschte unter den Sohlen seiner Stiefel, und Serafin dachte daran, dass Darios Zähne bald genauso knirschen würden, und zwar vor Wut, wenn Lalapeja nicht schleunigst aufstehen und weitergehen würde.
    Die Sphinx kauerte am Ufer des gefrorenen Nils, zwischen Blöcken aus geborstenem Eis, deren Ränder sich über- und untereinander geschoben hatten. Die Jungen hatten in einem abgestorbenen Palmenhain Schutz gesucht, nur wenige Meter entfernt. Die Palmwedel waren unter der Last des Schnees längst abgebrochen, übrig geblieben waren nur ein paar schiefe Stämme, die wie Finger aus der weißen Einöde stachen. Aus der Luft gaben die Jungen zwischen den toten Bäumen prachtvolle Zielscheiben ab. Unke war nicht bei ihnen; sie stand unten am Ufer neben der Sphinx und

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