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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mensch und noch dazu in einem Licht erstrahlte wie eine Ikone in den Kirchen ihrer Heimat, das war für sie neu und faszinierend.
    Junipa lehnte die Suppe ab, die Andrej ihnen anbot, aber Merle ließ ihre Schüssel nachfüllen. Nach all den Tagen, in denen sie sich von zähem Dörrfleisch ernährt hatte, erschien ihr die dünne Brühe wie eine Delikatesse.
    „Ihr müsst keine Angst haben." Andrej missverstand die Tatsache, dass sie getrennt von den anderen in einer Ecke saßen. „Hier finden uns die Sphinxe nicht. Wir sind seit fast sechs Monaten hier, und bisher haben sie noch nicht einmal bemerkt, dass es uns überhaupt gibt."
    „Und das findet ihr nicht seltsam?", fragte Merle.
    Andrej lachte leise. „Wir haben uns dasselbe tausendmal gefragt. Die Sphinxe sind ein uraltes Volk und seit Anbeginn der Zeit als weise und klug bekannt. Beobachten und dulden sie uns nur? Spielen sie uns falsche Informationen zu? Oder ist es ihnen einfach gleichgültig, dass wir hier sind, weil wir ohnehin keine Möglichkeit haben, unser Wissen nach Hause zu schicken?"
    „Ich dachte, ihr habt Brieftauben?"
    „Hatten wir auch. Aber wie viele Tauben kann man an einem Ort wie diesem wohl halten, bevor es irgendwem auffällt? Die Vögel waren nach den ersten Wochen aufgebraucht, und es gab keine Möglichkeit, uns neue herzuschicken. Deshalb sammeln wir nur noch - in unseren Köpfen, nichts auf Papier, nichts wird niedergeschrieben -, und bald werden wir in die Heimat zurückkehren. Der Baba Jaga sei Dank."
    Er schenkte den Mädchen ein aufmunterndes Lächeln, dann ging er zurück zu den anderen. Er respektierte den Wunsch der beiden, unter sich zu bleiben.
    „Er ist sonderbar, findest du nicht?", sagte Junipa.
    „Ganz nett", sagte Merle.
    „Das auch. Aber so ... so verständnisvoll. Ganz anders, als man es von jemandem erwartet, der heimlich um die halbe Welt reist und sich ein halbes Jahr lang in der Festung des Feindes versteckt."
    Merle zuckte die Achseln. „Viel eicht hat ihm seine Aufgabe geholfen, bei Verstand zu bleiben. Er muss eine Menge schlimmer Dinge gesehen haben." Sie deutete mit einem düsteren Nicken auf die übrigen Spione. „Sie alle."
    Junipas Blick wanderte von den Zaristen hinüber zu Seth, der in der Nähe des Eingangs saß, eng an eine der Spiegelwände gelehnt. In seinen gefesselten Händen hielt er eine leere Trinkschale. Auch seine Fußgelenke waren gebunden. Hätte Andrej gewusst, wer sein Gefangener wirklich war, hätte er ihm wohl ohne Zögern den Kopf abgeschlagen. Auch wenn dies durchaus in Vermithrax' Sinne gewesen wäre, hielt Merle es doch für falsch. Nicht für unangemessen und ganz sicher nicht für unverdient, aber sie hoffte, dass Seth ihnen noch nützlich sein konnte. Und diesmal war sogar die Fließende Königin ihrer Meinung.
    „Du wil st es noch einmal versuchen?", fragte Junipa, als sie sah, wie Merles Fingerspitzen vom Rahmen des Wasserspiegels auf die Oberfläche tasteten.
    Merle nickte nur und schloss die Augen.
    Ihre Finger berührten das lauwarme Wasser, als lägen sie auf Glas, ohne die sanften Ringe zu durchbrechen. Der milchige Schemen auf der Oberfläche streifte ihre Fingerkuppen. Merle hatte noch immer die Augen geschlossen, aber sie konnte ihn fühlen, sein hektisches Hinundherhuschen auf dem Wasser.
    Sie hörte sein Flüstern, verzerrt und viel zu weit entfernt, als dass sie es hätte verstehen können. Sie musste den Schemen irgendwie an sich binden, wie ein Stück Eisen an einen Magneten.
    „Das Wort", flüsterte sie Junipa zu. „Erinnerst du dich noch an das Wort?"
    „Welches Wort?"
    „Das uns Arcimboldo verraten hat, als wir für ihn die Schemen in den Zauberspiegeln einfangen mussten." Ihr alter Lehrmeister hatte ihnen damals in Venedig das Tor durch einen seiner Spiegel geöffnet. Sie waren in die magische Spiegelwelt eingetreten und hatten darin die Spiegelschemen vorgefunden: Wesen aus einer anderen Welt, die in diese überwechseln wollten und dabei als geisterhafte Schatten in Arcimboldos Zauberspiegel gestrandet waren. Sie bewegten sich nahezu unsichtbar und so leicht wie Windböen in den gläsernen Labyrinthen der Spiegelwelt, doch die Rückkehr oder eine Weiterreise in ein körperliches Dasein blieb ihnen auf immer verwehrt. Mit einem Zauberwort hatten die Mädchen sie gebannt und zurück zum Meister gebracht, der sie in die Spiegelbilder auf dem Wasser der venezianischen Kanäle entlassen hatte.
    „Hm, das Wort", murmelte Junipa nachdenklich. „Irgendwas

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