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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dann nickte er. „Ihr könnt das nicht verstehen. Dieses Ringen zwischen mir und dem Licht, die Stärke seiner Macht... wie es einem seine Gedanken aufzwingt und alles verändert, was in einem vorgeht. Niemand kann das begreifen."
    „Merle." Die Fließende Königin beendete ihr langes Schweigen, sprach sanft, aber eindringlich. „Wir müssen hier weg. Er hat Recht, wenn er davon spricht, wie mächtig das Steinerne Licht ist. Und es gibt Dinge, die getan werden müssen."
    Merle dachte kurz nach, dann fiel ihr noch etwas ein. Sie wandte sich wieder an den Professor: „In der Pyramide, als wir vor Ihnen geflohen sind ... da haben Sie gesagt, Sie kennen einen Namen. Ich hab nicht verstanden, was Sie damit gemeint haben. Wessen Namen?"
    Burbridge kam noch näher, hätte sie jetzt mit der Hand erreichen können. Doch das wagte er nicht.
    „Ihren Namen, Merle. Den Namen der Fließenden Königin."
    Ist das wahr?, fragte sie in Gedanken.
    Die Königin gab keine Antwort.
    „Was würde es ändern, wenn ich wüsste, wie sie heißt?"
    „Es ist nicht nur ihr Name", sagte er. „Es geht darum, wer sie wirklich ist."
    Merle musterte ihn durchdringend. Falls das irgendein Trick war, verstand sie nicht, was er damit bezweckte. Sie versuchte, die Königin zu einer Erklärung zu bewegen, doch diese schien abzuwarten.
    „Sekhmet", sagte er. „Ihr Name ist Sekhmet."
    Merle grub in ihrer Erinnerung. Aber da war nichts, kein Name, der diesem auch nur ähnlich war.
    „Sekhmet?"
    Burbridge lächelte. „Die altägyptische Göttin der Löwen."
    Ist das so?
    Zögernd sagte die Königin: „Ja."
    Aber -
    „In den alten Tempelruinen und in den Gräbern der Pharaonen ist sie als Löwin abgebildet. Frag sie, Merle! Frag sie, ob sie eine Löwin aus Stein war."
    „Mehr als das. Ich war eine Göttin, und ja, mein Körper war der einer Löwin ... damals, als die meisten Götter noch eigene Körper besaßen und über die Welt wandelten wie alle anderen Lebewesen.
    Und wer kann schon sagen, ob wir wirklich Götter waren. Wir jedenfalls konnten es nicht, aber der Gedanke gefiel uns, und wir begannen, dem Gerede der Menschen Glauben zu schenken." Sie machte eine kurze Pause. „Schließlich waren auch wir überzeugt von unserer eigenen Al macht. Das war der Zeitpunkt, als die Menschen anfingen, Jagd auf uns zu machen. Denn Abbilder von Göttern sind viel einfacher für menschliche Zwecke zu missbrauchen als die Götter selbst. Bilder haben keinen Willen und keine Wünsche. Statuen stehen für nichts als die Ziele der Herrschenden. So ist es immer gewesen. Das Wort eines Gottes ist in Wahrheit immer nur das Wort desjenigen, der seine Standbilder errichtet."
    Merle wechselte einen Blick mit Junipa. Ihre Freundin konnte die Königin nicht hören. In den Spiegelaugen sah Merle ihr eigenes erschöpftes Gesicht und erschrak vor sich selbst.
    Wie lange ist das her?, fragte sie die Königin in Gedanken.
    ,Äonen. Länger, als die Stammbäume der Ägypter zurückreichen. Andere haben mich vor ihnen verehrt, Völker, deren Namen längst vergessen sind."
    „Erzählt sie dir gerade die Legende?", fragte Burbridge. „Wenn nicht, will ich es tun. Sekhmet, die großmächtige, weise, allwissende Sekhmet, wurde von einem Mondstrahl befruchtet und gebar darauf den ersten Sphinx, den Stammvater des Sphinxvolkes."
    Der Sohn der Mutter!, durchzuckte es Merle. Warum hast du mir das nicht erzählt?
    „Weil du dann nicht getan hättest, was du getan hast. Und was hätte es tatsächlich verändert? Die Gefahren wären dieselben geblieben. Aber hättest du dich ihnen gestellt für eine ägyptische Göttin? Ich habe dich nie belogen, Merle. Ich bin die Fließende Königin. Ich bin diejenige, die Venedig vor den Ägyptern beschützt hat. Was ich davor einmal gewesen bin - welche Rolle spielt das?"

    Eine große. Vielleicht die größte überhaupt. Denn du hast mich bis hierher gebracht. Du weißt, was die Sphinxe vorhaben. Hast es wahrscheinlich immer gewusst.
    „Wir sind hier, um es zu verhindern. Der Sohn der Mutter darf nicht auferstehen. Und wenn er es tut, bin ich die Einzige, die sich ihm stellen kann. Denn ich bin seine Mutter und seine Geliebte. Mit ihm habe ich das Volk der Sphinxe gezeugt."
    Mit deinem eigenen Sohn?
    „Er war ein Sohn des Mondstrahls. Das ist etwas anderes."
    Ach ja?
    Abermals ergriff Burbridge das Wort: „Sekhmet kann nichts dafür", kam er der Königin überraschend zu Hilfe, auch wenn er nur ahnen konnte, was sie Merle erzählte.

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