Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort
Mutter?"
„Eine Lilim. Natürlich keine, wie du sie kennen gelernt hast. Nicht eines von diesen ungeschlachten Biestern, auch kein plumper Gestaltwandler. Sie war das, was man in der Oberwelt einen Sukkubus nennt. Ein Lilim in Gestalt einer wunderschönen Frau. Und sie war schön, das kannst du mir glauben.
Steven wurde zu einem Kind, das das Erbe beider Eltern in sich trug, das meine wie das ihre."
Merle wurde schwindelig bei diesem Gedanken. Ihre Mutter war eine Sphinx, ihr Vater halb Mensch, halb Lilim. Was war dann sie selbst?
„Ich habe Steven als Kind oft hierher gebracht", sagte Burbridge. „Ich habe ihm vom Steinernen Licht erzählt und von dem, was es uns antut, was es aus uns macht. Schon damals, als kleiner Junge, hat er sich gegen diese Vorstellung gesträubt. Und als er älter wurde, ging er fort. Er erzählte niemandem davon, nicht einmal mir. Er nahm einen geheimen Zugang, der in der Lagune endet, und er spürte, wie der Einfluss des Lichts von ihm abfiel. Er muss geglaubt haben, als ganz normaler Mensch leben zu können." Burbridge senkte die Stimme. „Ich selbst habe diesen Traum schon vor langer, langer Zeit verloren. Als ich noch in der Lage war zu fliehen, wollte ich es nicht. Und heute kann ich es nicht. Das Licht würde es nicht zulassen. Steven dagegen war ihm gleichgültig, ja, vermutlich war es sogar froh, dass er fort war - immer vorausgesetzt, es denkt überhaupt wie wir Menschen, woran ich einige Zweifel habe.
Steven ging also nach Venedig und blieb dort. Er begegnete Lalapeja, vielleicht durch Zufall, obwohl ich eher glaube, dass sie spürte, woher er stammte. Er war ein Fremder in der Stadt wie sie, ein Fremder in eurem Volk. Und für eine Weile taten sie sich zusammen."
„Warum sind sie nicht beieinander geblieben?"
„Es geschah das, was beide nicht für möglich gehalten hatten. Lalapeja wurde schwanger und brachte dich zur Welt, Merle. Steven ... nun, er ging fort."
„Aber warum?"
„Du müsstest ihn kennen, um das zu verstehen. Er erträgt es nicht, wenn man ihn irgendwo festhält, wenn man ihn bestimmten ... bestimmten Zwängen unterwirft. Ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll. Es war dasselbe wie in der Hölle. Er hasste das Steinerne Licht, weil es uns alle beherrscht und nur selten eigene Gedanken zulässt. Durch Lalapeja und ihr Kind fühlte er sich wieder beengt, wieder in seiner Freiheit eingeschränkt. Und ich denke, das war der Grund, weshalb er sich davongemacht hat."
Merles Unterlippe bebte. „So ein Feigling!"
Burbridge zögerte einen Moment mit einer Antwort. „Ja, viel eicht ist er das. Nur ein Feigling. Oder ein Rebell. Oder eine verhängnisvolle Mischung aus beidem. Aber er ist auch mein Sohn und dein Vater, und wir sollten nicht vorschnell über ihn urteilen."
Merle sah das ganz anders, schwieg aber, damit Burbridge ihr auch den Rest erzählte. „Lalapeja war verzweifelt. Von jeher hat sie mich verabscheut. Steven hatte ihr alles erzählt, über das Licht und meine Rolle in der Welt der Lilim. Lalapeja gab mir die Schuld an Stevens Verschwinden. In ihrer Wut und ihrer Trauer wollte sie nichts mehr mit Steven zu tun haben, und auch nicht mit ihrem Kind, in dem sie ein Stück von Steven sah."
Junipa ergriff Merles Hand.
„Deshalb hat sie mich ausgesetzt?"
Burbridge nickte. „Ich denke, sie hat es viele Male bereut. Aber sie hatte nicht die Kraft, sich zu ihrer Tochter zu bekennen. Sie war immer noch die Wächterin des Urvaters, des Sohns der Mutter."
Merle dachte an den Wasserspiegel, an die vielen Male, bei denen sie ihre Hand hineingeschoben hatte und von den Fingern auf der anderen Seite berührt worden war. Immer zärtlich, immer voller Wärme und Freundschaft. Es stimmte nicht, was Burbridge sagte: Lalapeja hatte sich zu ihr bekannt, wenn auch auf die eigene rätselhafte Weise einer Sphinx.
„Lalapeja muss gewusst haben, dass du im Waisenhaus gelebt hast. Wahrscheinlich hat sie jeden deiner Schritte beobachtet", fuhr Burbridge fort. „Mir selbst fiel das schwerer. Es dauerte Jahre, aber schließlich hat Arcimboldo dich in meinem Auftrag ausfindig gemacht und bei sich aufgenommen." Sein Blick suchte Junipa und fand sie halb hinter Merle verborgen. „Genau wie dich, Junipa. Wenn auch aus anderen Gründen."
Junipa verzog das Gesicht. „Sie haben mich zur Sklavin gemacht. Damit ich andere Welten für das Steinerne Licht ausspioniere."
„Ja", sagte er traurig, „auch das. Das war ein Grund, aber es war nicht meiner,
Weitere Kostenlose Bücher