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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht hier, nicht heute, nicht neben Andrejs Leichnam und vor dem Spiegel, in dem Junipa verschwunden war wie in einem silbernen Schlund. Sie konnte sagen, dass es ihr Leid tat, aber sie konnte es nicht wirklich empfinden.
    „Merle", sagte Vermithrax drängend, „bitte! Wir müssen gehen!"
    Sie schwang sich auf seinen Rücken. Ein letzter wehmütiger Blick auf den Spiegel, durch den Junipa und Seth verschwunden waren, dann war er nur noch einer unter vielen, eine Facette auf der vielfach geschliffenen Oberfläche eines Edelsteins.
    „Wo sind wir hier eigentlich?", fragte sie, als Vermithrax sie durch das Tor der Hal e trug, draußen auf dem Gang kurz verharrte und dann den Weg nach rechts einschlug. Der Schnee im Gebäude lag hoch, dreißig, vierzig Zentimeter, und er war aufgewühlt von den Pranken der Sphinxe und den Stiefeln der Mumienkrieger.
    „Ein ganzes Stück weiter unten als in der Kammer der Spione." Der Obsidianlöwe blickte angestrengt nach vorn, während er sprach. „Wir sind fast die ganze Zeit Treppen hinuntergelaufen.
    Andrej kannte den Weg genau. Und seine Freunde wahrscheinlich auch. Aber ich konnte nicht verstehen, was sie gesagt haben." ,Andrej hat es gewusst", sagte die Königin. „Er wusste, dass der Sohn der Mutter hier in der Festung ist."
    Merle gab die Worte an Vermithrax weiter. Er stimmte zu: „Seth hat es uns erzählt, während ihr weg wart."
    „Wieso hat er das getan?"
    „Viel eicht, um uns zu beschäftigen, während er sich überlegt hat, wie er am besten an Junipa herankommt."
    Merle sank noch ein Stück tiefer in sich zusammen.
    „Seth hat nur noch seine Rache im Kopf, setzte der Löwe hinzu.
    „Warum nicht?", sagte die Königin. „Wenn uns das hilft, den Sohn der Mutter aufzuhalten."

    Merle hätte sie gerne an den Schultern gepackt und durchgeschüttelt, aber die Schultern der Königin waren nun einmal ihre eigenen, und das hätte dann doch reichlich albern ausgesehen. „Gut", sagte sie nach einer Weile, „dann verrate uns einfach, was wir tun sollen, falls wir zufällig über ihn stolpern."
    „Darf ich?", fragte die Königin ungewohnt höflich.
    „Bedien dich."
    Sogleich ergriff die Königin Macht über Merles Stimme und erzählte Vermithrax in aller Kürze, wer und was der Sohn der Mutter war. Und welche Rolle sie selbst in dieser Angelegenheit spielte.
    „Du bist die Mutter der Sphinxe?", fragte Vermithrax staunend. „Die Große Sekhmet?"
    „Nur Sekhmet. Das genügt."
    „Die Löwengöttin!"
    „Nun fängt der auch noch damit an", sagte die Königin in Merles Gedanken, und diesmal konnte Merle sich ein flaues Grinsen nicht verkneifen.
    „Ist das wirklich wahr?", fragte Vermithrax.
    „Nein, ich erfinde das nur, damit wir uns in dieser verflixten Festung nicht langweilen", sagte die Königin durch Merles Mund.
    „Vergib mir."
    „Kein Grund, salbungsvol zu werden."
    „Sekhmet ist die Göttin aller Löwen", sagte Vermithrax. „Auch die meines Volkes."
    „M ehr als das", flüsterte die Königin Merle zu, bevor sie laut sagte: „Von mir aus. Aber ich bin schon lange keine Göttin mehr - falls ich denn überhaupt mal eine war."
    Vermithrax klang verdattert. „Ich verstehe nicht."
    „Benimm dich einfach genau wie vorher. Kein .Große Sekhmet' hier oder .Göttin' da.
    Einverstanden?"
    „Gewiss", sagte er demütig.
    „Mach dir nichts draus", sagte Merle, als ihre Stimme wieder ihr selbst gehörte. „Man gewöhnt sich an sie."
    „Ein bisschen Demut könnte viel eicht doch nicht schaden", sagte die Königin sauertöpfisch.
    Vermithrax trug sie weitere Stufen hinunter, tiefer und tiefer, und mit jedem Treppenabsatz wurde der Schnee höher, die Kälte schneidender.
    Merle blickte in die Spiegel, die das Weiß ins Endlose dehnten, und fasste einen Entschluss. „Wir müssen Winter finden."
    „Wir müssen -", begann die Königin, aber Merle unterbrach sie:
    „Al ein haben wir sowieso keine Chance. Aber zusammen mit Winter ... wer weiß."
    „Er wird uns nicht helfen. Er hat nur seine Suche nach Sommer im Kopf." „Vielleicht hat das eine ja mit dem anderen zu tun?" Merle verzog die Mundwinkel zu einem kühlen Lächeln.
    „Aber der schnellste Weg -"
    „Im Augenblick bin ich für den sichersten Weg. Wie steht's mit dir, Vermithrax?"
    „Al es, was die Göttin befiehlt."
    „Ein Löwe mit Prinzipien."
    Merle verdrehte die Augen. „Mir egal. Wir suchen Winter! Vermithrax, lauf immer dorthin, wo der Schnee am höchsten liegt."
    „Du wirst erfrieren."
    „Dann

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