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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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begrüßte Dario, Tiziano und Aristide. Die beiden Lehrlinge des Arcimboldo stützten Unke, deren rechter Unterschenkel notdürftig mit einem Stück Holz geschient war; es sah aus, als hätte jemand es mit einer Klinge aus einem Bücherregal geschlagen, wie ein übergroßer Splitter. Unke presste die Ränder ihres lippenlosen Meerjungfrauenmauls fest aufeinander. Sie hatte Schmerzen, aber sie beklagte sich nicht.
    „Sie wol te unbedingt zu euch", erklärte Junipa, die Serafins Blick bemerkt hatte. „Ich hab sie und die anderen in einer Bibliothek entdeckt."
    Merle schenkte der Meerjungfrau über Junipas Schulter hinweg ein warmes Lächeln. Für einen Moment wurde die Umgebung von etwas anderem überlagert, von einer Szene aus der Vergangenheit, einer Gondelfahrt an Unkes Seite durch einen nachtschwarzen Tunnel. Du bist berührt von der Fließenden Königin, hatte Unke damals gesagt. Du bist etwas ganz Besonderes.
    Merle schüttelte das Bild ab und wandte sich wieder Junipa zu. „Was ist mit Seth passiert? Ich hatte solche Angst um dich!"
    Junipas Blick verdüsterte sich. „Wir waren in Venedig, Seth und ich. Wir waren beim Pharao."
    „Beim -"
    Junipa nickte. „Amenophis ist tot. Und das Imperium zerbricht."
    „Hat Seth -"
    „Ihn umgebracht, ja. Danach hat er sich selbst getötet. Aber er hat mich gehen lassen."
    Die Königin regte sich in Merles Gedanken. „Die Sphinxe haben Amenophis im Stich gelassen. Das passt zu ihnen! Sie haben das Imperium benutzt, um den Sohn der Mutter zu erwecken. Und nun wollen sie weiterziehen. Sie geben sich nicht mit dieser einen Welt zufrieden."
    Junipa packte Merle an den Schultern. „Vorhin, das war nicht dein Ernst, oder? Was du gesagt hast... oder sie. Wer auch immer."
    Merle schüttelte ihre Hände mit einem Ruck ab. Ihr Blick wich Junipas Spiegelaugen aus, huschte von ihr zu den anderen. Sie kam sich vor, als hätte man sie in eine Enge getrieben, aus der es kein Entrinnen gab.
    „Ohne den Sohn der Mutter haben die Sphinxe nicht die Macht, unsere Welt zu verlassen", sagte sie, nun wieder an Junipa gewandt, aber noch immer bemüht, ihren Blick nicht zu kreuzen. „Und wenn es nur den einen Weg gibt, um ihn zu besiegen ... Ich habe keine Wahl, Junipa. Keiner hier hat das."
    Junipa schüttelte verzweifelt den Kopf. „Das bist doch nicht du, die da redet!"

    „Die Königin wollte, das ihr alle die Wahrheit erfahrt, damit ihr für mich die Entscheidung trefft. Aber jetzt bin ich es, die spricht. Und ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand anders diese Entscheidung trifft. Das ist allein meine Sache, nicht eure."
    „Nein!" Junipa trat auf sie zu und packte ihre Hand. „Lass mich es tun, Merle. Sag ihr, sie kann auf mich überwechseln."
    „So ein Blödsinn!"
    „Kein Blödsinn." Junipas Blick war fest und voller Entschlossenheit. „Nicht mehr lange, und das Steinerne Licht gewinnt wieder Macht über mich. Ich kann es spüren, Merle. Es tastet herum und zerrt an mir. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit."
    „Dann geh durch die Spiegel in eine andere Welt. Dort hat das Licht keine Macht über dich."
    „Ich lasse nicht zu, dass du stirbst. Sieh mich doch an. Meine Augen sind nicht menschlich. Mein Herz ist nicht menschlich. Ich bin ein Witz, Merle. Ein gemeiner, schlechter Witz." Sie blickte zu Serafin hinüber, der jedem ihrer Worte ganz genau zuhörte. „Du hast immerhin ihn, Merle. Du hast etwas, für das es sich lohnt zu leben. Aber ich? Wenn du tot bist, habe ich niemanden mehr."
    „Das ist nicht wahr", sagte Unke.
    Merle trat auf Junipa zu und schloss sie fest in die Arme, drückte die Freundin mit aller Kraft an sich.
    „Sieh dich um, Junipa. Das sind deine Freunde. Keiner von ihnen wird dich im Stich lassen."
    Serafin stand da, hin- und hergerissen. Es musste eine andere Möglichkeit geben. Musste einfach.
    „Ihr habt's doch gehört", meldete sich Dario zu Wort. „Der Pharao ist tot. Das ist alles, worauf es ankommt. Das Imperium ist so gut wie besiegt. Und wenn die Sphinxe wirklich von hier verschwinden wollen, umso besser für uns. Warum soll es anderen Welten besser ergehen als unserer? Wir haben überlebt, oder? Andere werden auch überleben. Das ist nicht unsere Sache. Auch nicht deine, Merle."
    Sie schenkte ihm ein trauriges Lächeln. Dario und sie hatten sich nie gemocht, aber jetzt rührte es sie, dass sogar er sie von ihrer Entscheidung abbringen wollte. Serafin hatte das Richtige getan, als er seine Feindschaft mit ihm beendet hatte: Dario war kein

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