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Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort

Titel: Die Merle-Trilogie 03 - Das Gläserne Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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es ist so weit. Sag's mir.
    Sie hatte das Gefühl, dass die Königin zum ersten Mal um Worte rang. Ihr Zögern dehnte sich ins Unerträgliche.
    Nun mach schon!
    „Wenn ich dich verlasse, Merle ..." Sie brach ab, stockend.
    Was dann?
    „Wenn ich deinen Körper verlasse, wirst du sterben."
    Merle schwieg. Dachte nichts. Sagte nichts. In ihr war auf einen Schlag nur Leere.
    „Merle, bitte ..." Wieder Zögern, noch länger diesmal. „Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, irgendeine ..."
    Ihr Bewusstsein war wie ausgefegt. Keine Gedanken. Nicht einmal Erinnerungen, Dinge, um die sie hätte trauern können. Keine Versäumnisse, keine unerfüllten Wünsche. Nichts.
    „Es tut mir Leid."
    Einverstanden, dachte Merle.
    „Was?"
    Ich bin einverstanden.
    „Ist das alles?"
    Was hast du erwartet? Dass ich schreie und tobe und mich wehre?
    Ein Augenblick der Stille, dann: „Ich weiß nicht, was ich erwartet habe."
    Vielleicht hab ich's ja geahnt.
    „Das hast du nicht."
    Vielleicht doch.
    „Ich... ach, verdammt!"
    Erklär es mir. Wieso sollte ich ohne dich nicht leben können?
    „Das ist es nicht. Nicht der Wechsel ist der Grund. Es ist vielmehr ..."
    Ja?
    „Es ist so, dass ich deinen Körper zwar verlassen könnte, ohne dass du Schaden nimmst. Wenn ich von einem Lebewesen zum anderen wechsle, ist das kein Problem. Aber Sekhmets Körper ist tot, verstehst du? Er besitzt kein eigenes Leben mehr. Und deshalb -"
    Deshalb musst du welches mitnehmen.
    „Ja. So ungefähr."
    Du willst diesen Steinkadaver da unten mit meiner Kraft wiederbeleben.
    „Es gibt keinen anderen Weg. Es tut mir Leid."
    Du hast das die ganze Zeit über gewusst, oder?
    Schweigen.
    Hast du's?
    „Ja."
    Serafin drückte abermals ihre Hand. „Was beredet ihr beiden da?" Sorge sprach aus seinen Augen.

    „Nichts." Merle fand, dass es hohl und leer klang. „Schon gut."
    Im selben Moment ergriff die Königin Gewalt über ihre Stimme, und ehe Merle es verhindern konnte, sagte sie: „Die anderen haben ein Recht darauf, es zu erfahren. Sollen sie entscheiden." „Was entscheiden?" Serafin richtete sich argwöhnisch auf. Auch Lalapeja rückte näher heran. „Was meinst du?", fragte sie.
    Merle konzentrierte sich verzweifelt, versuchte, die Stimme der Königin zurückzudrängen, wie schon einmal, in der Hölle. Aber diesmal gelang es ihr nicht. Sie konnte nur zuhören, als die Königin den anderen aus ihrem Mund erklärte, was geschehen würde. Geschehen musste.
    „Nein", flüsterte Serafin. „Kommt nicht infrage."
    „Es muss einen anderen Weg geben", knurrte Vermithrax, und es klang fast wie eine Drohung.
    Lalapeja schob sich an Merle heran und umarmte sie. Sie wollte etwas sagen, öffnete schon die Lippen, als sich eine helle, mädchenhafte Stimme in ihrer aller Rücken zu Wort meldete:
    „Das ist doch wohl nicht euer Ernst!"
    Merle blickte auf. Und konnte es nicht glauben. „Junipa!"
    Sie löste sich von Lalapeja und Serafin, robbte so schnell sie konnte über Schnee und Wasser von der Balustrade fort, sprang schließlich auf und schloss Junipa in die Arme.
    „Geht's dir gut? Bist du verletzt? Was ist passiert?" Für einige Augenblicke waren die Worte der Fließenden Königin vergessen, genauso wie ihr eigenes Schicksal. Sie konnte Junipa nicht loslassen, musste sie anstarren wie einen Geist, der aus dem Nichts vor ihr aufgetaucht war. „Wo ist Seth? Was hat er mit dir gemacht?"
    Junipa lächelte zaghaft, aber es schien, als verberge sie damit nur einen Schmerz, der sie quälte.
    Der Griff des Steinernen Lichts. Die unsichtbare Klaue, die sich nach ihrem Herzen ausstreckte.
    Unten in der Halle trabte der Sohn der Mutter weiter auf und ab, ohne Pause. Er war viel zu vertieft in seine hasserfüllten Gedanken, um das Treiben auf der Balustrade zu bemerken. Und er zögerte noch immer, den versteinerten Leib seiner Mutter zu zerstören. Sein schweres Atmen und Schnauben hallte von den Wänden wider, und das Knirschen und Bersten des Spiegelbodens unter seinen Krallen klang wie Eisschollen, die splitternd aufeinander stießen.
    Vermithrax gab sich Mühe, die Bestie im Auge zu behalten. Zugleich aber blickte er immer wieder zu den beiden Mädchen hinüber. Auch Serafin kroch von der Spiegelkante fort zu den anderen, drückte Junipa kurz an sich, lächelte aufmunternd und wandte sich dann an ihre vier Begleiter, die hinter ihr aufgetaucht waren. Die ganze Gruppe war aus einer Spiegelwand getreten, auf der allmählich die letzten Eisblumen tauten.
    Serafin

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