Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
schon seit drei Jahren hier lebe. Der heilige Mann ist dafür zu loben, er tut es im Namen von Sitte und Moral. Aber wenn es nun einmal göttlicher Wille ist … Soll ich dir etwas gestehen? Jedes Mal, wenn ich dich so von ferne gesehen hatte, kam mir wieder jene Verheißung in den Sinn, und ich bat den Herrn um ein Wunder. Ob dieses Wunder nun geschehen ist? Es kann doch nicht nur ein Zufall gewesen sein, dass du vom Pferd stürztest, hier in der Nähe, und dass deine Männer dich in mein Haus brachten. Nein, nein, das konnte kein Zufall sein … ich möchte glauben, dass es das Wunder war! Noch zögere ich … noch bin ich unsicher …«
Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. Er hob die von Narben und grauen Zotteln bedeckte Brust unter ihren streichelnden Händen und seine große Nase, die seit jenem glorreichen Augenblick, da er Wodan verfluchte, gebrochen und etwas schief war, schnüffelte gierig an ihren Haaren.
»Rück etwas näher!«, krächzte er heiser. »Dann verstehe ich dich besser.«
Doch es bedurfte keiner Worte mehr. Rasch warf sie den Umhang und die Tunika ab und glitt zu ihm unter die Seidendecke.
Unterwürfig, geschickt, verspielt und voller überraschender Einfälle, unter Nutzung ihrer reichen Erfahrungen mit Herrschernaturen und voller Rücksichtnahme auf seinen geschwächten Zustand, verschaffte sie König Chlodwig endlich das reine Glück eines Siegers, das ihm auf dem Schlachtfeld von Dijon, unter den Mauern von Avignon und im Ehegemach von Soissons nicht vergönnt war.
Kapitel 6
Während dies nebenan geschah, saßen Bobo, Ursio und Jullus in der Halle der Villa Pinetum mit einigen anderen frommen Frauen beim Becher.
»Sie hat es geschafft!«, sagte Bobo lachend, die Hände über seinem mächtigen Bauch gefaltet. »Nun wird uns wohl das Schlimmste erspart bleiben. Sonst hätte Remigius euch noch alle zu Nonnen geweiht.«
»Vielleicht setzt sich aber die Königin doch noch durch«, sagte eine der Frauen, eine hübsche Blonde, die eine durchsichtige Tunika aus koischer Seide trug. »Sie ist schon lange misstrauisch geworden. Jedes Mal, wenn sie kommt, müssen wir uns die größte Mühe geben, damit sie nichts merkt.«
»Ja, das ist lästig«, fand eine große Brünette und seufzte. »Diese hässlichen weiten Gewänder aus grober Wolle und das langweilige Singen und Beten!«
»Ist es wahr, Leontia«, fragte sie Bobo, »dass du unsern Zwerg Ursio einmal unter deinem Gewand versteckt hast, als die Königin kam?«
»Das stimmt, und das wäre beinahe peinlich geworden«, sagte die Große kichernd.
»Aber noch peinlicher wäre es geworden«, krähte Ursio, »wenn du den Fettwanst Bobo darunter gehabt hättest! Dann hätte sie dich für schwanger gehalten und dich gefragt, wie eine fromme Frau zu einem solchen Riesenbalg kommt!«
Die Gesellschaft brach in Gelächter aus. Bobo und Ursio, alte Kumpane und Rivalen in Chlodwigs Gunst, ließen keine Gelegenheit aus, auf Kosten des anderen ihre Späße zu machen.
»Glaubt ihr wirklich«, sagte Jullus, »dass sich etwas ändern müsste, wenn alle zu Nonnen geweiht werden? Sie sind ja dann Bräute Christi, und da sich ihr Bräutigam treulos gen Himmel abgesetzt hat, braucht er sich nicht zu wundern, wenn sie es mal mit einem netten Erdensohn tun.«
»Das hat uns Donata von Anfang an beigebracht«, sagte die blonde Tonia kess. »Jeder Freier, der uns besucht, ist ein Stellvertreter unseres Herrn Jesus. Nur dem gilt unsere ganze Liebe. Und wenn wir dabei an ihn denken, sündigen wir nicht!«
»Im Gegenteil!«, ergänzte die Große. »Wir machen uns um den Himmel verdient!«
»Da habt ihr es!«, rief Jullus. »Eine nützliche Lehre! Soll man Donata nur zur Äbtissin weihen.«
»Sie hat ja sogar die keusche Albofleda dazu gebracht«, witzelte Ursio, »in ihrer Zelle einen Stellvertreter zu empfangen: den Bobo! Aber du warst ihr wohl nicht heilig genug. Sie hat sich dann sehr beeilt, ihrem Jesus himmelwärts nachzueilen, obwohl sie noch gar nicht mit ihm verlobt war!«
»Solche Scherze sind nicht angebracht!«, sagte Bobo verweisend. »Wäre Albo nicht so plötzlich gestorben, hätten wir noch geheiratet! Jedenfalls war ich Donata dankbar, dass sie uns hier zusammenbrachte. Ich hatte schon gar nicht mehr darauf zu hoffen gewagt. Du bist nur immer noch neidisch, weil ich beinahe Chlodwigs Schwager geworden wäre!«
Ursio protestierte, und das Gespräch wurde noch eine Weile lebhaft fortgesetzt.
Immer mal wieder richtete sich dabei ein
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