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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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verarmter Galloromanen, die die Griechin unter diskreter Nutzung alter Beziehungen angelockt hatte und die mit dem, was sie hier einnahmen, ihre Familien vor dem Hungertod retteten – umsorgten ihre grobschlächtigen fränkischen Dauergäste mit frommer Geduld und fanden sich jederzeit zu guten Werken bereit.
    Es fiel dabei Chlodwig und seinen Männern keineswegs ein, den christlichen Beweggrund für die Hingabe ihrer Gastgeberinnen anzuzweifeln. Im Gegenteil, sie bekamen eine bessere Meinung von ihrem neuen Gott, dessen auserwählte Dienerinnen so himmlische Vorfreuden spendeten. Eher neigten sie jetzt dazu, Remigius, Chundo und ihresgleichen als Verirrte zu betrachten, die Gottes Gebote falsch auslegten, indem sie Enthaltsamkeit predigten.
    Vorsorglich und um vor Besuchern den Schein zu wahren, hatte die Hausherrin ein ehemaliges Vorratshaus zur Kirche umrüsten lassen, in der sie regelmäßig Andachten halten ließ. Der Sohn eines Pächters, der ein bisschen Kirchenlatein konnte, gab den Priester. Der König nahm mit den zwanzig Getreuen, die er den Winter über in Pinetum in seiner Nähe behielt, stets teil und hatte eigentlich erst hier seine schönsten Erweckungserlebnisse, wenn seine Priesterin neben ihm kniete und sich heimlich schon mal vorfühlend an ihm zu schaffen machte. Er wusste ja, dass hinterher jedes Mal noch ein sacrum privatum folgte.
    Doch dieser angenehme, weltentrückte Winter verging, und Anfang März, mit der Schneeschmelze, trafen die ersten Boten aus Soissons ein. Sie brachten fast täglich Briefe der Königin – und die enthielten alarmierende Nachrichten. Auf dem Kriegsschauplatz des vergangenen Jahres, wo der Frühling schon eingezogen war, gab es wieder Bewegung.
    Zunächst hieß es, die fränkischen Eintreiber des Jahrestributs seien, als sie vertragsgemäß Anfang Januar in Avignon erschienen, unter Androhung von Gewalt verjagt worden.
    Unmittelbar darauf schrieb die Königin, ihr Onkel, der Unhold Gundobad, habe Avignon verlassen und marschiere mit einem Heerhaufen die Rhône aufwärts. Dann wusste sie mitzuteilen, westgotische Hilfstruppen rückten von Toulouse aus über das Cevennen-Gebirge direkt gegen Vienne vor.
    Schon wenige Tage später war von der Vereinigung beider Heere und einem gemeinsamen Vormarsch die Rede. »Inzwischen ist mein bedauernswerter Onkel Godegisel«, hieß es, »in der Stadt, die er vor zehn Monaten als stolzer Sieger und Herrscher über das Gesamtreich betrat, wahrscheinlich schon eingeschlossen und belagert.« Die Königin versah diese Nachrichten mit den dringendsten Aufforderungen zum Handeln. Wolle Chlodwig, schrieb sie, dass alles, was er nach dem ungeheuren Blutvergießen des vergangenen Jahres gewonnen habe, wieder verlorengehe? Wolle er seinen Verbündeten, König Godegisel, und die tapferen Verteidiger von Vienne der grausamen Rache des Mörders Gundobad überlassen? Wolle der König der Francia, der Verteidiger des wahren Glaubens, weiter in gefährlicher Untätigkeit und in der Befriedigung seiner Genusssucht verharren, während sich die arianische Seuche wieder an seiner Grenze ausbreite, kräftig genährt durch ein Bündnis Gundobads mit dem König der Westgoten?
    Diese Anschuldigung betraf nun schon Chlodwigs Aufenthalt in Pinetum. Die ersten Boten waren noch nach Berny gesandt worden, wo Chlotilde den König während der Wintermonate vermutet hatte. Man hatte sie von dort zur Villa der Donata geschickt, und sie hatten bei ihrer Rückkehr nach Soissons berichtet, dass der König die ganze Zeit dort zugebracht hatte.
    Dies hatte Chlotilde zuerst nicht glauben wollen. Doch nachdem sie sich an Remigius gewandt und dieser ihr vorsichtig angedeutet hatte, ihre Freundin Donata könne den Unfall und die vorübergehende Schwäche ihres Gemahls ausgenutzt haben, gab es für sie keinen Zweifel mehr. Die Undankbare, die falsche Frömmlerin hatte den König in ihre Netze gezogen!
    Chlodwig fühlte sich durch Chlotildes Briefe unsanft aus seinem winterlichen Idyll gerissen. Er war nicht geneigt, zu Pflichten zurückzukehren, deren er sich längst ledig glaubte. Allerdings wollte er den Zorn seiner Frau, der schon heftig genug in ihren Briefen brodelte, nicht zum Überkochen bringen.
    So diktierte er Jullus hinhaltende Antworten. Er versprach, ein neues Heer auszurüsten, wozu er freilich noch Zeit brauche. Er stellte auch die Zuverlässigkeit der Nachrichten aus Burgund in Frage. Die dringende Mahnung, in seine Hauptstadt zurückzukehren und rasche,

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