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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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energische Maßnahmen zu ergreifen, beantwortete er mit Klagen über seine Gesundheit, die ihm auch kurze Reisen auf den noch kaum passierbaren Wegen unmöglich mache.
    So vergingen März und April. Anfang Mai hatte Chlodwig keine Ausrede mehr und rüstete zur Rückkehr nach Soissons. Zahllose Rechtshändel hatten sich angehäuft, und mindestens einen Monat lang würde er zu Gericht sitzen müssen. Dann aber überlegte er, ob er nicht doch erst nach Berny gehen sollte. Er kannte ja Chlotildes Hartnäckigkeit, wenn sie etwas durchsetzen wollte, und wusste, die Königin würde ihm mit der lästigen burgundischen Angelegenheit keine Ruhe lassen.
    Nach Berny kam sie aber selten und ungern. Er konnte die Prozessparteien dorthin bestellen. Die Nähe zu Pinetum war überdies günstig, nach einigen Gerichtstagen würde er sich dort zwischendurch immer mal wieder ein wenig Erholung gönnen.
    Mitte Mai war dies endlich beschlossen. Chlodwig gab seinen Gastgeberinnen ein Abschiedsmahl. Dabei verteilte er großzügig Geschenke, die Bobo aus den Schatzkammern in Berny herbeischaffen musste. Die Gesellschaft in der Halle der Villa feierte noch einmal fröhlich und ausgelassen. 
    Plötzlich aber ertönte vom Tor her Lärm. Im nächsten Augenblick stürzte der Gutsverwalter herein. »Aufgepasst!«, schrie er. »Die Königin!«
    Die Frauen sprangen erschrocken auf und rannten aufgescheucht durcheinander. Die Hausherrin gab hastig Befehle.
    Chlodwig und seine Konviven tauschten unbehagliche Blicke. Seufzend erhob sich der König und gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen. Als sie die Freitreppe hinunterschritten, rollte die Carruca der Königin schon heran, von einer berittenen Hundertschaft der Palastgarde begleitet.
    Kaum hatte der Kutscher den Wagen angehalten, sprang Chlotilde ohne Hilfe heraus. Der dunkle Schleier wehte ihr nach, als sie mit raschen Schritten auf Chlodwig zukam. Ihr Gesicht war bleich, spitz und eingefallen. Als Mutter von sechs Kindern (zwei waren nicht am Leben geblieben) hatte die Siebenundzwanzigjährige Schönheit und Jugendfrische schon eingebüßt. Der Kummer der letzten Monate und ihr Hang zu religiöser Askese hatten ein Übriges getan. Nur ihre Augen blickten lebhaft wie immer, allerdings – so wie jetzt – fast nur noch zornig und streng.
    »Wie schön, dass ich dich hier noch antreffe!«, sagte sie nach einer frostigen Begrüßung ohne Kuss und Umarmung. »Es scheint dir hier ja ausnehmend gut zu gefallen. So muss ich dich wenigstens nicht noch irgendwo suchen, um dir mitzuteilen, dass alles aus und verloren ist.«
    »Wie? Alles aus und verloren? Was meinst du damit?«
    »Mein Onkel Godegisel ist tot! Das Scheusal Gundobad hat ihn umgebracht! Mit eigener Hand! In einer Kirche! Seine Anhänger werden verfolgt und ermordet – mit Frauen und Kindern. In ihren Häusern massakriert man Aristokraten, an ihren Altären ermordet man Bischöfe. Blutbäche fließen durch die Straßen von Vienne. Das ist auch dein Werk, König der Franken!«, rief sie mit dramatisch bebender Stimme.
    Chlodwig blieb ruhig. »Sie haben Vienne also genommen. Was ist mit den Unseren? Mit Baddo und seinen Leuten?«
    »Ist das alles, was dich bewegt?«, entgegnete Chlotilde empört. »Was soll schon mit ihnen sein? Sie wurden abgeschlachtet wie alle anderen. Sie waren ja nur noch ein kleines Häuflein, nachdem sich ihr König mit seiner Hauptmacht verdrückt hatte. Wer überlebte, ging in Gefangenschaft nach Toulouse.«
    »Wie? Zu den Goten? Zu Alarich? Und woher weißt du das alles? Haben sich einige Franken retten können? Sind sie zurückgekommen?«
    »Der da konnte sich retten«, sagte Chlotilde und deutete auf den Diakon Chundo, der gerade hinter Remigius dem Wagen des Bischofs entstieg. »Er war in Vienne bei Avitus. Wir schickten ihn hin, um dem Heiligen bei der Mission zu helfen. Er erlebte dort die Hölle. Aber der Herr war barmherzig und ließ ihn entkommen. Ich dachte mir: Nimm ihn mit, wenn du deinem Gemahl seine Schmach verkündest. Am Ende glaubt er, du erfindest das alles, um sein Vergnügen zu stören. Man scheint hier zu feiern. Ich rieche Bratenduft. Und wo ist die Hausherrin? Begrüßt sie ihre Wohltäterin nicht?«
    Noch war die Hausherrin unsichtbar. Wie die anderen Frauen im Hause war sie fieberhaft damit beschäftigt, sich in grobe Wolle zu hüllen und sich die Schminke aus dem Gesicht zu wischen. Und dann sah sie zu ihrer Bestürzung aus dem Fenster des oberen Stockwerks den Diakon Chundo, der ihr Feind

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