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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Monat nur noch die Kämpfer auf den Mauern ernährt werden. Für Alte, Frauen und Kinder gab es nichts mehr. Auf den Straßen von Vienne brachen die Menschen vor Schwäche zusammen und starben.
    Da machte der König Godegisel in seiner Panik einen verhängnisvollen Fehler. Er ließ das »niedere Volk« aus der Stadt treiben, um nutzlose Esser loszuwerden. Dies wäre auch Chundos Los gewesen, doch Avitus brachte ihn bei einem wohlhabenden Glaubensbruder  unter, einem Tuchlieferanten des Königs, der verschont wurde.
    In seinem Versteck erfuhr der Diakon, was nun geschah. Eines Tages waren die Belagerer, wie aus dem Boden gewachsen, mitten in der Stadt. Die Verteidiger, die noch von den Mauern schossen, wurden plötzlich von hinten angegriffen. Die Torwachen wurden hinterrücks erdolcht, Balken und Riegel entfernt, die Tore geöffnet. Das große Blutbad konnte beginnen.
    Wie war es dazu gekommen?
    Unter den aus der Stadt Getriebenen hatte sich ein wichtiger Mann befunden: der Meister, der die Aufsicht über die Wasserleitung hatte. Wütend darüber, dass sein Haus und sein Eigentum nun Plünderern überlassen, er selber aber mit seiner Familie einem ungewissen Schicksal ausgesetzt wurde, war er zu Gundobad gegangen und hatte ihm verraten, wie man durch die teilweise unterirdische Rohrleitung in die Stadt gelangen konnte. Ein mit Brecheisen ausgerüsteter Trupp unter seiner Führung bildete die Vorhut und entfernte den großen Stein, mit dem der Ausgang verschlossen war. Nun konnten die Bewaffneten eindringen.
    Tagelang wüteten Gundobad und seine Verbündeten. Wer immer als Anhänger seines verräterischen Bruders galt, wurde niedergemacht. Von den Franken wusste Chundo nur, dass die in den Straßenkämpfen Davongekommenen sich in einem Turm zusammengedrängt und diesen noch eine Zeitlang verteidigt hatten. Dann hatten sie sich ergeben und waren in Ketten von den Westgoten abgeführt worden.
    Ob ihr Anführer Baddo dabei war, wollte der Diakon nicht erfahren haben. Er selber entkam aus der Stadt mit mehreren Geistlichen, die der Händler – unter Gottes schützender Hand, wie Chundo betonte – in Tücher gewickelt, unter Stoffballen auf einem Karren hinausbrachte. Der Rest war eine wilde Flucht über Stock und Stein nach Norden, in das Gebiet der Franken.
    »So hat der Herr mich ausersehen«, schloss Chundo mit einem tiefen Seufzer, »die furchtbare Botschaft zu überbringen, dass die bösen Mächte bei den Burgundern gesiegt haben. Oh, möge doch ein Gewaltiger kommen, um die Ärmsten aus den teuflischen Klauen zu retten! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.«
    Ein langes Schweigen folgte diesem Bericht.
    »Nun?«, sagte schließlich die Königin und richtete einen durchdringenden Blick auf ihren Gemahl.
    Chlodwig räusperte sich und erwiderte: »Eine kurzweilige Geschichte. Ich habe mich gut unterhalten.«
    »Gut unterhalten?«, rief sie empört.
    Der König, der vorher schon mehrere Becher Wein geleert hatte, war nicht geneigt, sich die Stimmung verderben zu lassen.
    »Ja, und dabei habe ich festgestellt, dass ich richtig gehandelt hatte, als ich die Festung Avignon nicht angriff, sondern aushungern wollte. Gundobad hat es genauso gemacht … ich behaupte sogar, er hat mir in Vienne nachgeeifert. Und siehe da – er hatte Erfolg!«
    »Das scheint dir zu gefallen.«
    »Nein, es gefällt mir ganz und gar nicht, aber es erfüllt mich mit Achtung für ihn. Denn er hat seine Männer geschont und sich darauf verlassen, dass die Zeit für ihn arbeiten wird.«
    »Hunger ist ein größerer Feind als ein ganzes Heer mit Lanzen und Schwertern«, bemerkte Bobo mit ernster Miene. 
    »Gundobad ist ein alter Fuchs«, sagte Chlodwig. »Vermutlich wusste er, dass die Vorräte in der Stadt knapp waren. Ganz sicher wusste er es, denn er hatte sie ja selbst anlegen lassen. Wahrscheinlich hat er sich auch bei seinem Rückzug aus Dijon dort noch tüchtig mit Proviant eingedeckt. Er konnte also genau berechnen, wie lange sie durchhalten würden. Vor Avignon konnte ich das nicht wissen, ich war ja vorher nicht dort. Das ist eine nützliche Lehre! Man sollte unbedingt, bevor man belagert, Spione vorausschicken und Auskünfte über die Vorräte einholen.«
    »Oder sich gleich mit dem Meister verständigen, der die Wasserleitung wartet!«, rief Ursio.
    Der König und seine drei Antrustionen brachen in ein Gelächter aus.
    »Ein Selbstmörder, dieser König Godegisel!«, rief Jullus.
    »Ja«, stimmte Bobo

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