Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Chloderich führte uns gleich in die Schatzkammer und zeigte uns alles, was er besaß. ›Nehmt euch nur, was euch gefällt!‹, sagte er großspurig. ›Meine Schätze sind eure Schätze. Deshalb habe ich euch ja eingeladen. Jetzt, da ich König bin, kann ich euch Saliern meine Freundschaft beweisen. Besonders euerm König Chlodwig möchte ich mich erkenntlich zeigen, weil ich ihm so viel verdanke!‹ Wir standen gerade vor einem offenen Kasten mit Goldstücken. ›Sind auch Prägungen aus der Zeit Kaiser Konstantins dabei?‹, fragte ich. ›Gewiss‹, sagte er. ›Greif nur hinein – gleich findest du eine.‹ Ich darauf: ›Leider bin ich zu dick, ich kann mich kaum bücken. Wenn du selber an meiner Stelle …‹ Na, er beugt sich über die Truhe, und während er seine Solidi umdreht und nach den gewünschten Prägungen sucht, gebe ich dem Hunnen ein Zeichen. Und so geschah es. Als sie Chloderich später fanden, sagten wir, dass das passiert sein musste, nachdem wir die Schatzkammer schon verlassen hatten. Und das glaubten sie uns.«
»Ihr seid tüchtige Kerle«, sagte der Schnurrbärtige und gähnte.
»Dem Chloderich geschah das ganz recht«, bemerkte der König. »Vatermord ist das schlimmste Verbrechen. Man mag es nicht glauben: Während des Mittagsschlafs hat er den Alten umbringen lassen, dieser Entartete! Während der Jagd im Buchonischen Wald. Möchte wissen, wer ihn dazu angestiftet hat! Vielleicht seine Frau. Es hieß, der Alte stellte ihr nach. Vielleicht wollte sie aber nur schneller Königin werden. Was mich betrifft … Ich habe den lahmen Sigibert immer wie einen älteren Bruder geliebt.«
»Das haben die Rheinfranken auch verstanden«, schmeichelte Jullus. »Ihre Begeisterung war echt, als du in Köln zu ihnen sprachst und sagtest, du würdest sie unter deinen Schutz nehmen.«
»Das will ich meinen«, sagte Chlodwig. »Sie hoben mich auch gleich auf den Schild, man musste sie gar nicht dazu auffordern. Sie hatten genug von diesen Zuständen. Lieber ist ihnen, dass ich es bin, der als König über sie herrscht und für Sicherheit sorgt. Wer will schon von einem Vatermörder regiert werden?«
Wieder packte ihn ein Hustenanfall. Danach versank er erneut in düsteres Schweigen. Auch die anderen husteten und schwiegen. Sie hofften, er würde sich bald zurückziehen, damit auch sie ihre Nachtlager aufsuchen konnten. Es war schon sehr spät, und keiner der Männer empfand es als Vergnügen, in einer der ungemütlichen, verräucherten Hallen des Pariser Palastes schlaflos eine Novembernacht zu verbringen.
Überraschend gab es noch eine Abwechslung. Chlothar, der jüngste Sohn des Königs, stürmte plötzlich herein und schrie: »Vater! Sie wollen mir Reims nicht geben! Ich will aber König in Reims sein! Überhaupt soll ich nur das kleinste Stück kriegen. Und Therri, der Schuft, will uns betrügen. Mutter ist wütend, sie zankt sich mit Therri!«
»So, sie ist wütend«, murmelte Chlodwig. »Sie zanken sich wieder.«
»Ja, und Chlodo und Bert haben sich geprügelt. Chlodo hat Bert einen Zahn ausgeschlagen. Weil beide Paris wollen und Mutter sagt, Chlodo soll Orléans bekommen. Aber da will er nicht hin!«
»Sie schlagen sich also schon die Zähne ein.«
»So blöd bin ich nicht!«, krähte der Knabe. »Ich kriege auch anders, was ich will!«
»Du willst also Reims.«
»Ja! Und dazu auch Bordeaux. Aber Therri sagt, was er selber erobert hat, das gehört ihm auch. Er sagt, von dem, was hinter der Loire liegt, kriege ich gar nichts. Aber er hat ja Bordeaux überhaupt nicht erobert! Das warst ja du, und ich war bei dir. Wir beide haben es erobert!«
»Jaja, wir beide haben Bordeaux erobert. Aber Childebert war, glaube ich, auch dabei.«
»Nein! Der war mit Mutter und Chlodo in Tours geblieben. Das weiß ich genau! Wenn du stirbst, dann ist Bordeaux meine Stadt. Und wenn Therri versucht, sie mir wegzunehmen, soll er sich vorsehen. Ich bringe ihn um!«
Mit einer heftigen Kopfbewegung warf der Elfjährige die Merowingermähne zurück und klopfte mit der Hand auf die Franziska, die er über dem kurzen Pelz am Gürtel trug.
Der König lachte. Diese Geste, die sein Sohn ihm abgesehen hatte, gefiel ihm. Die Männer am Tisch lachten mit, wenn auch verhalten.
Man konnte nicht wissen, wie Chlothar es aufnahm. Chlodwigs Jüngster hatte den Ruf eines hinterhältigen, übelnehmerischen, nachtragenden Rüpels und galt unter den vier Brüdern schon jetzt als der Bösartigste. Seine schlimmen Streiche
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