Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
Geschenke und suchte sich unter den Goten dort einen neuen Anhang. Aber ehe der Haufen zum Kampf bereit war, hatte ihn Ibba schon gefunden und aufgerieben. Dem Gesalich blieb wieder nur die Flucht, diesmal über die Pyrenäen, zurück nach Gallien ins alte Gotengebiet, das jetzt den Franken gehört. Ich erfuhr das alles von Jullus, der mir auch erzählte, dass Chlodwig dem Flüchtling heimlich Waffen und Geld zukommen ließ und ihm erlaubte, noch einmal Mannschaften zu werben. Natürlich gegen das Versprechen, im Erfolgsfall endgültig alle gotischen Zelte in Gallien abzubrechen. Aber auch dieser Versuch schlug fehl. Ibba vernichtete dieses allerletzte Aufgebot, und dem Gesalich blieb abermals nur die Flucht. Die Ostgoten fingen ihn ein und töteten ihn.
Seine Mutter hat ihn auf dem Zug ins Verderben nicht begleitet. Vielleicht ahnte sie, dass sich auf diesen Sohn ihre Zukunft nicht bauen ließ. Wahrscheinlich besann sich die alte Venuspriesterin nochmals ihrer schönen Talente. Nach glaubwürdigen Berichten blieb sie in Karthago zurück und gehört (nun staune!) inzwischen zur engsten Umgebung der Schwester Theoderichs, der Königin Amalafrida. Sie soll am Vandalenhof schon eine bedeutende Rolle spielen.
Von hier, aus Paris, das nun Soissons als Hauptstadt des Frankenreichs abgelöst hat, gibt es keine besonderen Neuigkeiten. Das kann sich aber bald ändern. König Chlodwig ist häufig krank, er leidet an alten Verwundungen und allen möglichen Gebrechen. Man sieht geradezu, wie er verfällt. Hinter der vorgehaltenen Hand heißt es, er werde es wohl nicht mehr lange machen. Was dann kommt? Wer weiß! Theuderich ist jetzt sechsundzwanzig, der älteste von Chlotildes drei Söhnen fünfzehn, der jüngste zehn Jahre alt. Wie man hört, ist noch nichts entschieden …«
Kapitel 20
»Als nun des Vatermörders gierige Hand hinabtaucht
bis auf den Grund, um im Golde zu wühlen,
fährt die Eiserne, die Franziska, ihm scharf
in den Nacken, zu sühnen das Blut
des edlen Königs, des lahmen Sigibert, vergossen
während des Schlafs im Buchonischen Walde.
Wer den vernichtenden Hieb tat gegen den Frevler,
blieb ungewiss, doch war’s ein Gerechter … «
»Warte! Hör auf! So geht es nicht!«
Der Sänger Horatius, der schon heiser war, unterbrach seinen Vortrag. »Du bist nicht zufrieden, Herr?«
»Was soll das heißen: ›blieb ungewiss‹? Soll am Ende dabei herauskommen, dass es einer von uns war?«
König Chlodwig wollte fortfahren, aber ein Hustenanfall schüttelte ihn. Er winkte einem Diener, das rauchende Kohlebecken von ihm fortzurücken und ihm noch einen dritten Pelz über die Schultern zu legen.
Einige seiner Antrustionen saßen mit müden Gesichtern mit ihm um den Tisch, darunter Bobo und Jullus Sabaudus. Sie alle froren, es war Ende November. Durch die winzigen Fenster unter der Decke wirbelte Schnee herein, der auf dem Fußboden taute.
»Das fehlte mir gerade noch!«, grollte der König weiter, als der Anfall vorüber war. »Ich habe damit nichts zu tun. Es war keiner von uns dabei. Verstanden? Einer von seinen eigenen Leuten war es, der Sigibert rächen wollte. Und das muss klar herauskommen. Also ändere das!«
»Erlaubst du, dass ich mir dafür Zeit nehme, damit die neuen Verse zu deinem Beifall …«
»Jaja, nimm dir Zeit. Und trage sie ein andermal vor. Verschwinde jetzt!«
Der Sänger verbeugte sich und eilte hinaus. Bevor der König es sich anders überlegte und seine Stimme von Kerzenrauch und Zugwind vollkommen ruiniert wurde, wollte er in der rettenden Kammer und in seinem Bett sein.
Chlodwig stierte auf seinen leeren Becher. Alle schwiegen. Fröstelnd krochen sie tiefer in ihre Mäntel und Pelze.
»Eigentlich war es ja auch keiner von uns«, sagte Bobo nach einer Weile. »Ich hätte es gar nicht gekonnt.«
»Du hättest dir bei deinem Ungeschick die Franziska noch in den eigenen Wanst gerammt«, versuchte ein Schnurrbärtiger zu scherzen.
Einige lachten unlustig.
»Und wer war es nun wirklich?«, fragte einer, der sein breites Stirnband bis über die Ohren gezogen hatte.
»Der Kerl ist Wächter beim Torss«, sagte Bobo. »Ein Hunnenbastard. Stammt von einem, den Attila hier verloren hatte. Er tat es für fünf Solidi.«
»Ein anständiger Preis«, bemerkte ein Weißhaariger.
»Er hatte ja auch nicht viel zu tun.«
Bobo griff nach dem erkalteten Rest einer Rindslende, der vor ihm in einer Schüssel lag.
»Es war ganz einfach«, fuhr er kauend fort. »Dieser Gimpel von
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