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Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis

Titel: Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hatten für einige Sklavenkinder tödliche Folgen gehabt. Vielleicht würde er in Kürze König sein, und man konnte seiner Gefolgschaft zugeteilt werden. Da war es besser, sich nicht schon jetzt bei ihm unbeliebt zu machen.
    »Nun geh«, sagte Chlodwig, den wieder der Husten plagte. »Geh und vertrage dich mit Therri. Es wird alles geregelt. Jeder bekommt, was ihm zusteht.«
    »Warum sagst du ihm nicht, dass er mir Reims und Bordeaux geben soll?«, schrie Chlothar.
    »Mach, dass du fortkommst!«, sagte der König und hob die Hand. »Oder ich hau dir aufs Maul!«
    »Dazu müsstest du mich erst kriegen!«, höhnte der Knabe.
    »Hau ab!«
    Chlothar stieß ein helles, verächtliches Lachen aus, machte kehrt und stolzierte, noch immer die Hand an der Franziska, zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um.
    »Wenn du mit Therri gemeinsame Sache machst, sieh dich auch vor! Dann bringe ich euch alle beide um!«
    Chlodwig ergriff seinen Becher und schleuderte ihn nach dem Knaben.
    Der blieb aber seelenruhig stehen und sah zu, wie der Becher neben ihm gegen die Wand flog und dann scheppernd über den Fußboden rollte. Er lachte noch einmal auf und verschwand.
    Am Tisch herrschte wieder Schweigen.
    »Eine Drachenbrut ist das«, sagte der König schließlich nicht unzufrieden. »Beißen sich. Schnappen schon jetzt nach den besten Stücken. Wie soll man auch alles gerecht verteilen, so dass keiner benachteiligt wird! Ich weiß es nicht, bin mir nicht sicher. Den Osten muss Theuderich erhalten, weil der schon Kriegserfahrung hat. Dort geht es zuerst los, glaube ich, mit den Thüringern. Chlotilde will Chlodomer, ihrem Lieblingssohn, Orléans geben. Damit er auch über Tours herrscht, wo sie hinwill, zu ihrem Heiligen. Meinetwegen. Die beiden andern bekommen Soissons und Paris und jeder ein Stück von Aquitanien, das kann ihnen Theuderich nicht verweigern. Wenn erst einmal alles verteilt ist, werden sie sich schon vertragen. Das müssen sie auch, denn überall lauert der Feind. Draußen und drinnen! Wer kann ahnen, was Theoderich vorhat. Gundobad und Sigismund traue ich auch nicht. Und weiß man, ob Baddo damals alle erwischt hat, die sich Nachkommen meines Urgroßvaters Merovech nannten? Irgendeiner ist vielleicht übrig geblieben. Und wartet nur darauf, dass ich sterbe. Und ist dann auf einmal da und verlangt seinen Anteil. Und vielleicht kommt noch ein Zweiter und dann noch ein Dritter. Und alles, was ich für meine Söhne zusammengebracht habe, ist verloren!«
    Die Männer tauschten verstohlene Blicke und seufzten. Sie hatten vergebens gehofft, dass ihnen der tägliche Klagegesang an diesem Abend erspart blieb.
    »Warum machst du dir Sorgen, König?«, erwiderte Bobo wie jedes Mal. »Es gibt keine Merowinger mehr außer euch. Sei ruhig. Sie sind alle hin, und Tote werden nichts fordern.«
    »Glaubt ihr wirklich?«
    »Das ist sicher.«
    Wieder wurden Blicke getauscht. Was nun kommen würde, wussten sie auch schon.
    Chlodwig schwieg eine Weile. Tief verbarg er seinen Kopf in den Pelzen, so dass fast nur noch die große Nase hervorsah. Schließlich begann er wieder zu reden, in jammervollem Tonfall, mit brüchiger Stimme.
    »Sie sind alle hin. Ich habe keine Verwandten mehr. Ich bin einsam! Ein Fremder bin ich unter Fremden! Wenn mich und die Meinen ein Unglück trifft … wer wird uns beistehen? Wenn alle ringsum ihre Messer wetzen … wer wird uns verteidigen? Nur auf das eigene Blut ist Verlass. Die eigene Sippe ist unersetzlich. Habe ich recht? Wäre wenigstens einer noch da, der sich bis heute vor mir versteckt hält, weil er mich fürchtet. Wenigstens einer! Oh, er brauchte keine Angst mehr zu haben! Ich würde ihn lieben. Unter Tränen würde ich ihn umarmen. Die Hände würde ich ihm küssen! Sagt es ihm, wenn ihr ihn kennen solltet … wenn ihr ihn trefft … Oder noch besser: Sagt mir, wo ich ihn finden kann, damit ich ihn aufsuche und an mein Herz drücke …«
    Er erhielt keine Antwort. Er erhielt nie eine Antwort auf diese hartnäckig wiederholte Finte. Wer ihn ansah, bemerkte selbst bei dem schwachen Kerzenlicht, dass nicht nur die Nase aus dem Pelz hervorstach. Wach lauerten seine hellen Wolfsaugen. Aber die Hoffnung, es würde ihm jemand noch einen Verwandten benennen können, der ihm entwischt war, erfüllte sich an diesem Abend ebenso wenig wie an allen anderen.
    Das ärgerte ihn, und er hielt es nun nicht mehr für nötig, den Beklagenswerten zu spielen.
    »Hinaus!«, knurrte er, wobei er mit der flachen

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