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DIE MEROWINGER: Familiengruft

DIE MEROWINGER: Familiengruft

Titel: DIE MEROWINGER: Familiengruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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und es war Remigius zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gelungen, mit ihr allein zu sprechen. Auch jetzt, als der Bischof sich nach der Niederlage beim König zu dessen Mutter begab, um mit ihr zu beraten, was man tun könnte, traf er dort nicht nur die Prinzessin, sondern auch ihren hakennasigen Schatten.
    Die junge Burgunderin hatte sich ihrer künftigen Schwiegermutter gleich am zweiten Tag ihres Aufenthalts im fränkischen Königspalast vorgestellt und war gnädig aufgenommen worden.
    Frau Basina, die sehr krank und kaum noch gehfähig war, sah ihrem Ende entgegen, hoffte nun aber, noch die Geburt eines weiteren Enkelkinds zu erleben.
    Auch Chlotildes Frömmigkeit gefiel der inzwischen dem Himmel fast Gewonnenen, noch mehr aber der dicken Albofleda, die ihre künftige Schwägerin gleich ins Herz schloss. Die drei verbrachten nun halbe Tage miteinander. Chlotilde fühlte sich wohl in der Gesellschaft von Mutter und Tochter, die ihr die erste Zeit in der Fremde erträglich machten.
    Dass Chundo auch hier kaum von ihrer Seite wich, mussten die beiden in Kauf nehmen. Frau Basina vermied es allerdings, in seiner Gegenwart brennende Leuchter hereinbringen zu lassen, und sorgte dafür, dass Diener vor der Tür Wache hielten.
    Als Remigius bei den Damen eintrat, wurde er gar nicht gleich wahrgenommen. Chundo sprach gerade mit knarrendem Pathos über ein Traumgesicht, und die drei hingen an seinen Lippen. Dem Diakon war in der Nacht ein Himmelsbote erschienen, der ihm verheißen hatte, er, Chundo, werde am Hochzeitstag Chlodwigs und Chlotildes ein Wunder bewirken. Chundo habe den Engel daraufhin angefleht, ihm mitzuteilen, was da geschehen solle, auch kniefällig zu bedenken gegeben, dass er, der letzte unwürdige Diener der heiligen Kirche, doch gar nicht dazu imstande sein werde. Aber der Engel habe nur mit Posaunenstimme gerufen: »Du bist ausersehen, Chundo! Du wirst es tun!«, und sei dann verschwunden. Schweißgebadet und von dieser Botschaft fast zerschmettert, sei er erwacht, schloss der Erzähler.
    Seine drei Zuhörerinnen seufzten ergriffen auf, und Albofleda hielt ihm den Korb mit Honiggebäck hin, aus dem er sich stärkte.
    Erst jetzt bemerkten die vier den Bischof.
    »Hast du das gehört, Remigius?«, rief Frau Basina. »Wir werden zu Chlodwigs Hochzeit ein Wunder erleben!«
    »Es freut mich, dass auch dem Diakon Chundo jetzt Engel im Traum erscheinen«, sagte Remigius maliziös. »Er nähert sich der Auserwähltheit.«
    »Es ist die Wahrheit, ich schwöre es!«, betonte trotzig der hagere Diakon, dem das Erscheinen des Bischofs alles andere als gelegen kam.
    »Was aber sein Wunder betrifft«, fuhr Remigius fort, »so fürchte ich, muss er es in Abwesenheit tun. Der König ist gerade im Begriff, alle Geistlichen und Mönche aus dem Palast hinauszuwerfen.«
    »Oh, tut er das wirklich, ehrwürdiger Vater?«, rief Chlotilde. »Aber was haben sie denn verbrochen?«
    »Dein Bräutigam gerät leicht in Zorn, meine Tochter, und sie haben ihn wohl verstimmt. Aber vielleicht gelingt dem Diakon Chundo schon jetzt ein Wunder, ohne himmlische Ankündigung. Wir brauchen dringend für die zweihundert Quartier, und ich wüsste nicht, wo es in der Stadt so viel Platz gibt. Auch Gottesdienste auf dem Markt und in den Straßen sind nicht mehr erlaubt. Die hiesige Bischofskirche ist eng und baufällig. Vielleicht kann Chundo uns noch eine Kirche herbeizaubern!«
    Bei dem abschätzigen Wort »zaubern« fuhr der Diakon beleidigt auf, widersprach aber nicht.
    Er hatte schon Kenntnis von den Maßnahmen, die ja auch ihn selber betrafen. Natürlich wusste er ebenso wenig Rat wie Remigius. Bisher hatten die burgundischen Kleriker und Mönche in einer Scheune auf dem Wirtschaftshof und auf der angrenzenden Wiese genächtigt. Nun hatte es aber zu regnen begonnen, für alle wurde ein festes Dach benötigt. Es erschienen bereits die ersten Hochzeitsgäste, und zweihundert in den engen Straßen lagernde und lungernde Gottesmänner würden einen traurigen Anblick bieten. Aufgrund der allgemeinen Unsicherheit und der Sorge um Hab und Gut konnte nicht erwartet werden, dass die Bewohner der Stadt – auch diejenigen, die noch immer gut römisch-katholisch waren – diesen Fremden ihre Türen öffneten.
    Nachdem Remigius und sein früherer Diakon vergebens einen Ausweg gesucht und sich dabei in gegenseitigen Vorwürfen und Spitzfindigkeiten erschöpft hatten, entschloss sich Chlotilde, etwas zu unternehmen.
    Eigentlich wollte sie sich bis zur

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