DIE MEROWINGER: Familiengruft
wofür. Noch wohnst du drin, und eigentlich brauchte ich sie noch nicht. Aber du siehst, jetzt hat sich ergeben, dass ich sie doch brauche. Wenn es bei unserer Abmachung bleiben soll …«
»Du willst den Schwarzröcken aus Burgund mein Haus überlassen?«, fragte der Referendar erschrocken.
»Vorübergehend, Jullus, vorübergehend! Nach der Hochzeit reisen sie ja wieder ab. Ich verstehe, du fürchtest um Möbel, Teppiche, Kunstwerke. Das kannst du alles in eines der Vorratshäuser schaffen. Du selbst ziehst so lange zu deinem Vetter. Siehst du, Prinzessin, es ist schon eine Lösung gefunden. Die villa urbana meines tüchtigen Referendars Jullus Sabaudus! Er hat sie erst kürzlich von seinem verstorbenen Vater geerbt, der ein angesehener Senator und einer der Kurialen war. Sie grenzt unmittelbar an den Palast, es gibt sogar ein Stück gemeinsamer Mauer. Darin ist viel Platz, dort können die frommen Männer hausen. Und es gibt eine hübsche Halle, wo sie ihr Kreuz aufstellen können, ohne dass sie damit meine Franken verführen, wie sie selbst auf dem Boden herumzurutschen. Und auch du kannst dort nach Herzenslust singen und beten. Es sind nur ein paar Schritte.«
»Ich danke dir, König«, sagte Chlotilde, indem sie sich erhob und Chlodwig ein kühles Lächeln schenkte. »Du hast mir damit bewiesen, dass man sich mit dir einigen kann. Offen gesagt, ich wäre geflohen, wärst du jetzt wortbrüchig geworden … aus deinem Palast, aus deinem Land. Der Herr, unser Gott, verlangt von uns, keine Schwäche zu zeigen, wenn es um seine Sache geht. Du hättest mich mit Gewalt zurückhalten müssen. Aber wie hätte ich dich dann jemals lieben können!«
»Und wie ist es nun?«, fragte Chlodwig. Er fasste eine Strähne ihres auf die Schulter fallenden Haars und ließ es durch seine Hand gleiten. »Liebst du mich jetzt?«
»Jetzt nicht!«, sagte sie und machte sich mit einer raschen Kopfbewegung los. »Später … vielleicht.«
Kapitel 11
Mit der »Abmachung« zwischen Chlodwig und Jullus Sabaudus hatte es die folgende Bewandtnis.
Der Referendar, fünfundzwanzig Jahre alt, Abkomme einer sehr reichen Aristokratenfamilie, strebte nach Höherem. Der auch an den germanischen Höfen immer einflussreicher werdende Posten des Leiters der königlichen Kanzlei, den er seit zwei Jahren innehatte und aufgrund seiner Intelligenz und seiner hervorragenden Kenntnis des Lateinischen auch glänzend ausfüllte, genügte ihm nicht mehr. Er suchte nach mehr Selbständigkeit, mehr Macht, mehr Ansehen. Er träumte davon, Comes der Stadt Paris zu werden, wo der Amtsinhaber, einer der ältesten Antrustionen des Königs, seit längerem krank darniederlag.
Zusätzlich angestachelt wurde sein Ehrgeiz, als Audofleda ein Auge auf ihn warf und binnen kurzem seine Geliebte wurde. Die schöne, kluge Schwester des Königs sah in ihm eine letzte Hoffnung, der Auslieferung zwecks Heirat an den unbekannten, gefürchteten Ostgotenkönig Theoderich zu entgehen. Der Ostgote schickte noch immer keine Gesandtschaft, um sie abholen zu lassen – im besten Fall hatte er sich anders besonnen.
Inzwischen wurde sie älter (sie war jetzt sechsundzwanzig Jahre alt) und ihr königlicher Bruder vielleicht geneigter, sie wie schon Lanthild in seinem eigenen Reich zu verheiraten. An der Seite des Jullus in der großen, pulsierenden Stadt Paris, der größten in der Francia, zu leben, stellte sie sich sehr angenehm vor. Wenn Jullus nicht mehr nur Referendar – in Chlodwigs Augen ja nur ein Federfuchser und »Kuhhautverderber« – sein würde, sondern den hohen Rang eines Comes bekleidete, konnte er wagen, um sie anzuhalten.
Leider besaß Audofleda kaum Einfluss auf Chlodwig. Er hielt sie für flatterhaft und war verärgert wegen ihres hartnäckigen Widerstands gegen sein ostgotisches Heiratsprojekt. Er ließ sie sogar durch Ursio beobachten. Der Verlust ihrer Jungfernschaft war unzweifelhaft und bereitete ihm große Sorgen.
Von der Liebschaft mit Jullus wusste er zwar nichts, auch Ursios Schnüffler hatten bisher nichts davon mitbekommen. Doch jeder Versuch Audofledas, sich bei ihm für die Beförderung ihres Geliebten zum Comes einzusetzen, hätte unweigerlich seinen Verdacht erregt und die peinlichsten Folgen haben können.
So wurde Lanthild ins Vertrauen gezogen. Die Jüngste war die einzige seiner drei Schwestern, die bei Chlodwig etwas erreichen konnte. Zwischen Audofleda und Lanthild herrschte nach wie vor ein inniges Einvernehmen. Nicht vergessen konnten
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