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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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verwirklichen!«, sagte Syagrius begeistert. Er streckte die Arme aus, nahm Scyllas beide Hände und drückte sie. »Was bist du für eine Frau! Erstaunlich, wie weit du vorausblickst!«
    »Ich sehe dich schon in Tournai einziehen. Unter den kleinen Frankenkönigen ist Chlodwig der größte. Die anderen werden sich natürlich gleich unterwerfen.«
    »Vorbei ist es dann mit dieser angemaßten Unabhängigkeit, mit dieser Gesetzlosigkeit! Ein erster großer Schritt zur Rückeroberung Galliens! Und das hätte ich dir zu verdanken.«
    »Ich hoffe, du knauserst dann nicht mit dem Lohn.«
    »Du wirst eines Tages meine Kaiserin sein.«
    »Noch bist du verheiratet.«
    »Die Natur und der Himmel werden ein Einsehen haben.«
    »Wenn aber nicht …?«
    Sie tauchte ihren Blick lange und tief in den seinen, und er hielt stand und wagte nicht auszuweichen.

Kapitel 12
    Im königlichen Schlafgemach des »Palastes« von Tournai bettete sich die Familie auf altgermanische Art. Man ruhte gemeinsam, doch nach Generationen und Rängen getrennt, auf drei langen Pritschen längs der Wände.
    An der linken Seitenwand lagen die Alten, das hieß die über Vierzigjährigen, zwei Tanten des Königs, Schwestern seines Vaters mit ihren Ehemännern, sowie drei weitere, die Witwen beziehungsweise im späten Jungfernstand waren.
    Die Kinder der Tanten – wiederum sämtlich weiblichen Geschlechts – nahmen mit ihren Gatten, Söhnen und Töchtern die Längsseite gegenüber der Eingangstür ein.
    Der königlichen Familie im engeren Sinne war die rechte Seite vorbehalten. Hier schliefen Frau Basina, die viel Platz beanspruchte, ihre drei Töchter Audofleda, Albofleda und Lanthild und schließlich Sunna, Chlodwigs Frau, mit Theuderich, ihrem zweijährigen Söhnchen. Und manchmal lag hier auch der König, gleich neben der mit einem Sackvorhang bedeckten Türöffnung. Diese führte auf eine Galerie, wo zwei Wächter, die zweimal abgelöst wurden, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang den Schlaf der vornehmsten aller Franken von Tournai bewachten. Chlodwig war hier allerdings nur selten.
    Er verbrachte die Nächte meist im Gefolgschaftsquartier, auf Stroh, in einer der baufälligen Scheunen des Wirtschaftshofs. In der besseren Jahreszeit schlief er am liebsten im Freien, auf der Pferdekoppel hinter der Festungsmauer oder auf dem Turm, gleich unter dem Himmel, nur in Gesellschaft seiner Hunde.
    Die nächtliche Schlafgemeinschaft mit etwa dreißig Verwandten war ihm zuwider. Er verabscheute das Ächzen und Hüsteln der Alten, das Greinen der Kinder, das Schnarchen, Schniefen und Furzen ringsum, die Ausdünstungen der nackten Leiber in dem fast fensterlosen, nur mit winzigen Luken versehenen Gemach.
    Wenn er mit Sunna allein sein wollte, ritt er mit ihr in den Wald. Dort lagen sie dann an einem Weiher, wo sie mit ihrem Liebesspiel nur die Frösche unterhielten und wo sie sich hinterher abkühlen konnten.
    In der Nähe war eine Jagdhütte, in der sie die Nacht über blieben, wenn es zu spät zur Heimkehr geworden war. Auch im Winter suchten sie manchmal die Hütte auf, wohnten hier sogar tagelang, wuschen sich morgens mit Schnee, brieten Vögel, die Chlodwig mit Pfeil und Bogen erjagte.
    Von Zeit zu Zeit lag er gern bei Sunna. Sie war nicht besonders reizvoll, aber er mochte den rundlichen Körper der kleinen blonden Cousine aus Tongeren und seinen herben Duft, in dem sich Wald und Wiese, Küche und Stall mischten.
    Er kannte Sunna, seit er auf der Welt war. Es gab sie schon in seinen frühesten Erinnerungen. Sie war eine Nichte des Chararich, Waise, am Hof seines Vaters aufgewachsen, neun Jahre älter als er. Als er dreizehn und damit volljährig war, hatte man sie ihm beigelegt, damit sie ihn in das Liebeswerk einführte und damit er recht bald einen Sohn mit ihr zeugte. Denn ein Merowinger musste früh anfangen, weil man nie wissen konnte, wie hoch die Verluste waren, und der Königsstamm musste erhalten bleiben.
    Er war ein launischer und oft unlustiger Liebesschüler, kränkte seine Lehrerin manchmal und misshandelte sie sogar. Doch als er mit sechzehn Jahren König wurde, machte er sie, die vorher nur seine Kebse war, zu seiner Ehefrau, ganz legal nach germanischem Recht, indem er ihren Verwandten den Brautpreis zahlte und sie nach der Brautnacht mit einer Morgengabe bedachte. Und zwei Jahre später brachte sie – nach einer Tochter, die aber schon bald starb – endlich auch den ersehnten Sohn zur Welt.
    Chlodwig kümmerte sich nicht viel um Sunna.

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