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DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren

DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren

Titel: DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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des Windes kaum durchsetzen.
    Syagrius schritt, auf einen Stock gestützt, neben Genovefa hinter dem Leichenkarren. Er hätte sich, wäre sie nicht gewesen, allzu gern in seine bequeme Carruca gesetzt. Von Zeit zu Zeit warf er ihr scheele Blicke zu. Zum Schutz vor dem Wetter, aber auch, um altrömisch trauernd »mit verhülltem Haupte« zu gehen, hatte er ein Ende seines Mantels über den breiten Hut gezogen. Er war erkältet, schniefte und hustete. Die Ängste und Mühsale der Flucht standen ihm noch ins Gesicht geschrieben. Schlaff und grau hingen die Wangen und die dicken Tränensäcke unter den kugelig vorgewölbten Augen.
    Von Zeit zu Zeit sah er sich auch nach Scylla um. Die schöne Griechin hatte wie alle Frauen zum Zeichen der Trauer ihr Haar aufgelöst und sogar ihre Ohrringe abgelegt. Freilich gab sie sich keine Mühe zu verbergen, dass für sie mit diesen Äußerlichkeiten der Pflicht Genüge getan war. Mit Unbehagen sah der Patricius sie an der Seite des jungen Präfekten Gaius Larcius, seines angeheirateten Neffen. Einmal stützte sie sich sogar auf dessen Arm und blickte lächelnd zu ihm auf. Dabei schienen die beiden heitere Bemerkungen zu tauschen. Der Patricius fand, dass sie sich wie zwei Verliebte benahmen.
    Um die vierte Stunde wurde die Nekropole endlich erreicht.
    In der Nähe des Memorials für den heiligen Marcellus gab es ein kleines Oratorium, einen einfachen Holzbau. Nur die wichtigsten Trauergäste fanden hier Platz, die Übrigen mussten draußen bleiben. Die Mönche trugen den Sarkophag hinein, stellten ihn zwischen Kerzen und nahmen den Deckel ab.
    Als der Leichnam sichtbar wurde, erhob sich ringsum ein Raunen. Fast schien es einen Augenblick lang, als sei Frau Titia wieder lebendig geworden. Zusammengekrümmt lag sie auf der Seite, und aus ihrem spitzen, bleichen, eingefallenen Gesicht starrte ein halb geöffnetes Auge, während das andere fest geschlossen war.
    Dem Patricius schien es, als blickte ihn seine Gemahlin höhnisch und schadenfroh an. Er erschrak heftig und musste sich abwenden. Ein Geistlicher gab dem Leichnam, der beim Transport auf dem schwierigen Weg hin- und hergeworfen worden war, seine würdige Lage wieder und drückte das Auge zu.
    Der Bischof beeilte sich mit der Messe und kürzte das Ritual ab. Er las ein paar Sätze aus dem Buch der Makkabäer. Dann besprengte er die Tote zum letzten Mal mit Weihwasser, pries ihr glückliches Schicksal, das sie nun aus dem irdischen Jammertal zur himmlischen Vereinigung mit Christus und allen Heiligen führte, und gab den Mönchen ein Zeichen, damit sie das Graduale anstimmten. Schließlich wurde die Deckplatte wieder eingepasst. Die Mönche trugen den Sarkophag nach draußen. Er wurde nur zwanzig Schritte »ad sanctos« in eine vorbereitete Grube gesenkt. Über dem Grab sollte später ein Memorial errichtet werden.
    Noch während der Bischof betete, winkte Syagrius seinem Kutscher. Der schwang die Gerte und fuhr die Carruca heran. Als hätten auch die anderen Wagenlenker nur auf dieses Zeichen gewartet, schlugen sie ebenfalls auf ihre Pferde ein. Zwischen den Gräbern gab es ein Durcheinander, weil sich mehrere Gespanne gegenseitig behinderten. Einige Grabsteine wurden umgefahren. Der Bischof warf rasch eine Handvoll Erde in die Grube und wollte zu seinem Wagen eilen, aber die alte Genovefa hielt ihn auf. Sie bestand darauf, auch dem heiligen Marcellus bei dieser Gelegenheit Ehre zu erweisen und seine Fürbitte für die Verstorbene zu erflehen. Im feuchten Gras vor dem Heiligengrab kniend, von ihren Frauen und den Mönchen umgeben, tat sie es selbst mit ihrer feinen, hohen Stimme. Der viele Jahrhunderte alte Brauch, sich den Himmlischen laut und vernehmlich mitzuteilen, damit sie die Bitte nicht überhörten, war auch noch unter den Christen lebendig. Der Unterschied bestand nur darin, dass aus den vielen kleinen Göttern der Alten jetzt Heilige geworden waren.
    Syagrius stand noch einen Augenblick dabei, aber dann verlor er die Geduld. Er drehte sich um, stieß jemanden beiseite und blickte sich suchend nach seinem Wagen um. Dabei fiel sein Blick auf Scylla. Sie stand unter den vornehmen Emigrantinnen, die mit nach Paris geflohen waren. In ihrer Nähe bemerkte er wieder den jungen Präfekten.
    Einen Augenblick zögerte der Patricius. Doch dann schritt er entschlossen auf sie zu, packte sie am Arm und zog sie mit sich fort.
    »Was fällt dir ein?«, zischte sie empört. »Wie behandelst du mich? Bin ich deine Sklavin?«
    »Das

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