DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
er sie ihren clamor bellicus üben, den Kriegsruf ihrer Legion. Nachdem sie den mehrmals herausgebrüllt hatten, befahl er den Abmarsch. Der Manipel sollte in sein altes Quartier neben dem Haupttor des Palastes einrücken.
Um dieses Ziel zu erreichen, mussten die beiden Hundertschaften den Palasthof überqueren.
Hier hatten sich – es war später Nachmittag – schon wieder Franken aus Cambrai und Tongeren um ein Feuer versammelt. Es handelte sich dabei um Männer, die sich an diesem Tag nicht am Beutezug ihrer Stammesbrüder beteiligten. Einige waren tags zuvor bei Auseinandersetzungen mit Bauern verletzt worden. Andere litten am Morgen noch an den Folgen des übermäßigen Fleisch- und Weingenusses. Schließlich hatten Chlodwigs Vettern auch Wächter für die Beutestücke zurückgelassen, die sie nicht mit denen von Tournai teilen wollten.
Diese Männer hockten nun alle schon wieder faul beim Becher, brieten fürs Erste einen Hammel und warteten auf die Rückkehr der Ihrigen. Zwei Possenreißer bemühten sich vergebens, sie in Stimmung zu bringen. Einige hatten das letzte Gelage noch immer nicht überstanden. Sie saßen nur da mit glasigen Augen, kratzten sich, gähnten und furzten. Andere knurrten sich an oder warfen mit Steinen nach Hunden und Hühnern.
Plötzlich fuhr einer auf und schrie: »Römer!«
Alle rissen die Köpfe herum. Sie wollten ihren Augen nicht trauen. Da näherte sich wahrhaftig eine römische Truppe: voran die Standarte, dahinter Helme und Schilde. Und viel rotes Tuch, Reihe um Reihe.
Schrecken und Panik ergriff die Kerle am Feuer.
»Römer! Ein Überfall! Verrat! Rettet euch, Männer! Wir sind verloren!«
Alles schrie durcheinander, sprang auf und stürzte davon. Die meisten flüchteten durch das Haupttor. Verletzte hinkten hinterher.
Einige krochen auf allen vieren. Nur die Possenreißer blieben zurück. Sie lachten lauthals über die Posse, die sich vor ihren Augen abspielte.
»Aber das ist ja die Lösung!«
Auch Chlodwig lachte. Er und Baddo folgten den beiden Hundertschaften zu Pferde.
»Sieh doch mal, wie sie rennen! Als ob ihnen eine Herde Auerochsen auf den Fersen wäre. Großartig! So machen wir es! So werden wir diese Plage los!«
Er musste Baddo nicht viel erklären.
Im nächsten Augenblick setzten sich die Söldner in Richtung der östlichen Mauer in Bewegung. Auch die Wachen dort, alle Tournaier, waren im ersten Augenblick erschrocken. Sie wurden rasch aufgeklärt. Bereitwillig räumten sie ihre Posten vorn an der Brustwehr und überließen den neuen Kameraden die Plätze zwischen den Zinnen. Bald leuchtete das Rot des römischen Militärs auf breiter Front von der Festungsmauer herab. Auch auf den Wachtürmen wurden »Römer« postiert.
Chlodwig selbst rannte auf dem Wehrgang umher und ließ noch Skorpione in Stellung bringen. Er befahl aber den Schützen, ihre Brandpfeile nur in die Luft zu schießen.
Die Sonne stand nun schon tief. Lange Schatten warfen die Eichen und Buchen am Ufer der Aisne. Endlich gab es am Horizont Bewegung.
Sie kamen!
Aus einem Hohlweg quoll die lange, träge Kolonne hervor. Männer, Pferde, hochbeladene Karren, Ochsen, Ziegen, Schafe. Ganz vorn ein glänzender Fleck, ein Reiter in golden schimmernder Rüstung: Richar.
Dahinter die von gefangenen Bauern getragene Sänfte, in der sich Ragnachar und sein Farro von den Anstrengungen des Tages ausruhten.
Bald war auch Chararich auszumachen, dürr und krumm auf dem Pferderücken. An einem Strick schleppte er ein Bauernmädchen hinter sich her.
Der Zug stockte früher als erwartet. Einige der Männer, die den Palasthof in Panik verlassen hatten, waren den ahnungslos Heimkehrenden entgegengeeilt.
Die Anführer ließen haltmachen. Alles umdrängte sie wie ein Bienenschwarm seine Königin. Dann löste sich aus der geballten Masse ein kleiner berittener Trupp mit dem goldschimmernden Richar an der Spitze. Er kam langsam näher, bis auf zweihundert Schritte, wohl um zu erkunden, ob kein Irrtum vorlag.
Nun befahl Chlodwig, alle Skorpione auf einmal abzufeuern. Zwanzig, dreißig Brandpfeile sausten wie Blitze durch die Luft.
Die Pferde erschraken. Einige gingen hoch, andere drehten sich wild im Kreise, buckelten oder schlugen aus. Die Mehrzahl der Reiter wurde abgeworfen. Richar hielt sich noch im Sattel.
Aber Chlodwig befahl eine zweite Salve. Nun drehten die Tiere endgültig durch. Auch die übrigen Reiter landeten im Grase. Im Licht der Abendsonne flog Richar wie ein goldener Ball durch die
Weitere Kostenlose Bücher