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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Fleischstreifen ins Öl und sah sie schrumpfen, sich verfärben und verändern.

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    Früh am nächsten Morgen fuhr Janice mit dem Wagen zum Busbahnhof. Es war eine weite Fahrt bis in die Stadt und auf dem Rückweg würde sie kaum in der Verfassung sein, sich ans Steuer zu setzen. Sie nahm fünfhundert Dollar in bar mit.
    Regan überprüfte die Fallen. Beide waren unberührt. Dann streifte er rastlos durchs Haus.
    Schließlich rief er Gwen an. Beim ersten Mal verwählte er sich, weil seine Finger von den Wahlknöpfen des Telefons abrutschten und die lange Zahlenreihe ihn durcheinander brachte. Er versuchte es noch einmal.
    Es klingelte, dann ihre Stimme: »Allied Accountancy Associates, guten Tag.«
    »Gwennie? Ich bin’s.«
    »Regan? Bist du’s? Ich hab gehofft, dass du irgendwann anrufst. Du hast mir gefehlt.« Ihre Stimme klang distanziert und das transatlantische Rauschen und Knistern ließ sie noch weiter weg wirken.
    »Es ist teuer.«
    »Denkst du drüber nach zurückzukommen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Und wie geht’s dem Weibchen?«
    »Janice …« Er zögerte. Seufzte. »Janice geht’s bestens.«
    »Ich vögel jetzt mit unserem neuen Verkaufsleiter«, sagte Gwen. »Nach deiner Zeit. Du kennst ihn nicht. Du bist jetzt seit sechs Monaten weg. Ich meine, was soll eine Frau denn machen?«
    In diesem Moment erkannte Regan, dass es das war, was er an Frauen am meisten hasste: ihr Sinn fürs Praktische. Gwen hatte ihn immer gezwungen, ein Kondom zu benutzen, obwohl er Kondome nicht ausstehen konnte und obwohl sie doch ein Diaphragma hatte und noch Spermienkillergel benutzte. Regan fand, dass bei all dem jede Spontaneität, Romantik und Leidenschaft verloren gingen. Er zog es vor, wenn Sex etwas war, das einfach passierte, halb in seinem Kopf, halb anderswo. Etwas Plötzliches und Dreckiges und Starkes.
    Er bekam Kopfschmerzen.
    »Und wie ist das Wetter bei euch drüben?«, fragte Gwen fröhlich.
    »Es ist heiß«, sagte Regan.
    »Ich wünschte, das wär’s hier auch. Es regnet seit Wochen.«
    Er sagte irgendwas von wegen es sei schön gewesen, ihre Stimme zu hören. Dann legte er auf.

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    Regan überprüfte die Fallen. Immer noch leer.
    Er schlenderte ins Büro und schaltete den Fernseher ein.
    »… ist noch ganz klein. Das ist es, was Fötus bedeutet. Und eines Tages wird sie zu einer Frau heranwachsen. Sie hat Fingerchen und kleine Zehen, sie hat sogar schon winzige Zehennägel.«
    Der Bildschirm zeigte irgendetwas Rotes, pulsierend und unscharf. Dann blendete er über zu einer Frau mit einem breiten Lächeln, die ein Baby im Arm hielt.
    »Manche von den Kleinen werden einmal Krankenschwester oder Lehrerin oder Musikerin. Eines Tages wird eine von ihnen vielleicht sogar Präsidentin.«
    Wieder füllte das rosa Ding den Bildschirm.
    »Aber diese Kleine hier wird nie erwachsen werden. Sie wird morgen getötet. Und ihre Mutter sagt, es sei kein Mord.«
    Er zappte, bis er Die Lucy-Show fand, das perfekte Hintergrundnichts, dann schaltete er den Computer ein und machte sich an die Arbeit.
    Nach zwei Stunden, die er damit zubrachte, in einer schier endlosen Folge von Zahlenreihen nach einer Differenz von unter einhundert Dollar zu suchen, wurden die Kopfschmerzen schlimmer. Er stand auf und ging hinaus in den Garten.
    Er bedauerte, dass er hier keinen richtigen Garten hatte, vermisste den englischen Rasen. Hier war das Gras überall verdorrt und braun, die Rasenflächen nahezu kahl, die Bäume mit langen Flechten bewachsen, sodass sie wie Wesen aus einem Science-Fiction-Film aussahen. Er folgte dem Pfad, der in den Wald hinter dem Haus führte. Irgendetwas Graues, Schlankes glitt hinter einem Baumstamm hervor zum nächsten.
    »Komm her, Kätzchen«, rief Regan. »Komm schon, miez-miez.«
    Er ging zu dem Baum hinüber und spähte dahinter. Doch die Katze – oder was immer es gewesen war – war verschwunden.
    Etwas stach ihn in die Wange. Reflexartig schlug er danach und als er seine Hand ansah, fand er sie blutbefleckt und eine halbzerquetschte Mücke zuckte noch in der Handfläche.
    Er ging zurück in die Küche und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Er vermisste auch den Tee, aber er schmeckte hier einfach nicht so wie zu Hause.
    Janice kam gegen sechs heim.
    »Wie war es?«
    Sie zuckte die Schultern. »In Ordnung.«
    »Ja?«
    »Ja. Ich muss nächste Woche noch mal hin«, fügte sie hinzu. »Zur Nachuntersuchung.«
    »Um sicherzugehen, dass sie keine Instrumente in dir vergessen haben?«
    »Keine

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