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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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würden, aber dann hab ich mir doch lieber ein Shetlandpony gewünscht. Aber ich hab’s nicht bekommen.
    Die Dame hat mich in den Arm genommen und gesagt, ich wär so niedlich, dass sie mich mit Haut und Haar auffressen könnte. Sie roch wie süße getrocknete Milch.
    Dann fing Gänseblümchen volles Rohr an zu schreien und die Dame hat mich losgelassen.
    Ich hab nach dem Einhorn gerufen, aber ich hab’s nicht mehr gesehen. Manchmal kam’s mir so vor, als würde ich eine Trompete hören, manchmal dachte ich, das wäre nur in meinen Ohren.
    Dann sind wir zu unserem Tisch zurückgegangen. Was ist hinter dem Ende der Welt, hab ich meinen Dad gefragt. Nichts, hat er gesagt. Absolut gar nichts. Darum heißt es ja das Ende.
    Dann hat Gänseblümchen auf Daddys Schuhe gebrochen und wir haben sie wieder sauber gemacht.
    Ich setzte mich an den Tisch. Wir haben den Kartoffelsalat gegessen, von dem ich Ihnen das Rezept ja schon aufgeschrieben hab, Sie sollten den wirklich mal machen, der ist wirklich gut, und wir tranken Orangensaft und aßen dazu Kartoffelstäbchen und kalte Omeletts und Kressesandwiches. Wir haben auch unsere Coca-Cola getrunken.
    Dann hat Mummy irgendwas zu Daddy gesagt, was ich nicht verstanden hab, und er hat ihr mächtig eine gelangt, so mitten ins Gesicht, und Mummy hat angefangen zu weinen.
    Daddy hat zu mir gesagt, ich sollte mit Gänseblümchen spazieren gehen, während sie reden.
    Ich nahm meine Schwester und hab gesagt, komm schon, Gänseblümchen, komm mein kleines Gänseblümchen, denn sie war auch am weinen, aber ich bin zu alt, um noch zu heulen.
    Ich konnte nicht hören, was sie gesagt haben. Ich sah zu dem Katzengesichtmann auf und hab versucht zu sehen, ob er sich ganz, ganz langsam bewegt und ich hörte die Trompete am Ende der Welt in meinem Kopf, da da da.
    Wir setzten uns an einen Fels und ich hab Lieder für meine kleine Schwester gesungen – la la la – mit dem Klang der Trompete in meinem Kopf – da da da.
    La la la la la la la.
    La la la.
    Dann sind Mummy und Daddy zu uns rübergekommen und haben gesagt, wir würden nach Hause fahren. Aber dass alles in Ordnung wär. Mummys Augen waren ganz lila. Sie sah komisch aus, wie die Frauen im Fernsehen.
    Gänseblümchen sagte aui. Und ich hab gesagt, stimmt genau, aui. Wir sind zum Auto zurückgegangen.
    Auf dem Rückweg hat keiner irgendwas gesagt. Meine kleine Schwester hat geschlafen.
    Am Straßenrand hat ein totes Tier gelegen, das irgendwer angefahren hat. Daddy hat gesagt, es wär der weiße Hirsch. Ich dachte, es wär das Einhorn, aber Mummy hat gesagt, Einhörner kann man gar nicht töten, aber ich glaub, sie hat wieder gelogen, wie Erwachsene das eben tun.
    Als wir wieder nach Zwielicht kamen, hab ich gefragt, wenn du jemand deinen Wunsch verrätst, heißt das, dass er nicht in Erfüllung geht?
    Was für’n Wunsch, hat Daddy gefragt.
    Na, der Geburtstagswunsch. Wenn man die Kerzen auspustet.
    Er hat gesagt, Wünsche gehen nicht in Erfüllung, egal ob du sie jemand verrätst oder nicht. Wünschen könnte man nicht vertrauen.
    Ich hab Mummy gefragt und sie hat gesagt, was immer dein Vater sagt, ist richtig, sie hat das mit einer ganz kalten Stimme gesagt, die sie auch immer benutzt, wenn sie mich ausschimpft und mit meinem ganzen Namen anspricht.
    Dann bin ich auch eingeschlafen.
    Und dann waren wir wieder zu Hause und es war Morgen und ich will das Ende der Welt nie wiedersehen. Und bevor ich ausgestiegen bin, als Mummy Gänseblümchen ins Haus getragen hat, hab ich die Augen zugemacht, sodass ich überhaupt nichts sehen konnte und gewünscht und gewünscht und gewünscht und gewünscht. Ich hab mir gewünscht, wir wären nach Ponydale gefahren. Ich hab mir gewünscht, wir wären überhaupt nie irgendwohin gefahren. Ich hab mir gewünscht, ich wär jemand anders.
    Ich hab’s mir gewünscht.

Wüstenwind

    Ein alter Mann, schwarz verbrannt von der Sonne der Wüste,
    erzählte mir, als er noch jung war, habe ihn einmal ein Sturm von der Karawane getrennt
    und von den Gewürzen, und er sei über Fels und über Sand gelaufen Tag und Nacht
    und sah nichts als Eidechsen und sandgelbe Ratten.
    Doch am dritten Tag sei er in eine Stadt seidener, bunter Zelte gekommen.
    Und eine Frau führte ihn in das größte der Zelte, gab ihm Eistee
    zu trinken, Kissen, sich zu betten, und küsste mit scharlachroten Lippen seine Stirn.
    Verschleierte Tänzerinnen wiegten sich vor ihm, Bäuche wie Sanddünen,
    Augen wie dunkle Seen der Oasen und

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