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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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der erste Kracher vom Feuerwerk los und er schwamm weg.
    Ihr Lippenstift war röter als rot und sie hat den Abdruck ihrer Lippen auf dem Rücken des Fisches verewigt. Da. Sehen Sie?«
    Princess, der weiße Karpfen mit dem korallenroten Fleck auf dem Rücken, ließ eine Flosse zucken und setzte dann die endlose Folge dreißigsekündiger Rundreisen um den Teich fort. Der rote Fleck sah wirklich aus wie ein Lippenabdruck.
    Pious Dundas streute eine Handvoll Fischfutter aufs Wasser und die drei Karpfen ließen sich an die Oberfläche treiben und fraßen.
    Ich ging zu meinem Chalet zurück, die Bücher über alte Zaubertricks in der Hand. Das Telefon klingelte. Es war jemand vom Studio. Sie wolle mit mir über das Treatment reden. Ein Wagen werde mich in dreißig Minuten abholen.
    »Wird Jacob dabei sein?«
    Aber die Leitung war schon tot.

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    Der australische Jemand nahm an der Besprechung teil und sein Assistent, ein bebrillter Mann im Anzug. Er war der erste Mensch mit Anzug, der mir bislang hier begegnet war, und seine Brille war leuchtend blau. Er wirkte nervös.
    »Wo wohnen Sie?«, fragte der Jemand.
    Ich sagte es ihm.
    »Ist das nicht, wo Belushi …?«
    »So heißt es, ja.«
    Er nickte. »Er war nicht allein, als er starb.«
    »Nein?«
    Er strich sich mit dem Finger über einen Flügel seiner spitzen Nase. »Es waren noch zwei Leute auf dieser kleinen Party. Beide Regisseure, zwei von den ganz großen. Die Namen brauchen Sie nicht zu wissen. Ich hab davon gehört, als ich den letzten Indiana-Jones-Film gemacht habe.«
    Ein unbehagliches Schweigen entstand. Wir saßen an einem riesigen runden Tisch, nur wir drei, und jeder hatte eine Kopie meines Treatments vor sich. Schließlich fragte ich:
    »Was halten Sie davon?«
    Sie nickten beide, fast synchron.
    Und dann gaben sie sich beide die größte Mühe, mir klarzumachen, dass sie es grässlich fanden, ohne je etwas zu sagen, das mich möglicherweise kränken könnte. Es war eine merkwürdige Konversation.
    »Wir haben ein Problem mit dem dritten Akt«, sagten sie und deuteten vage an, dass der Fehler nicht bei mir lag, nicht einmal beim Treatment oder dem dritten Akt, sondern bei ihnen.
    Sie wollten sympathischere Figuren. Sie wollten grelles Licht und Schatten, keine Grautöne. Sie wollten aus der Heldin einen Helden machen. Und ich nickte und machte mir Notizen.
    Am Ende der Besprechung schüttelte ich dem Jemand die Hand und der Assistent mit dem blauen Brillengestell führte mich durch das Labyrinth der Korridore zurück zur Außenwelt, meinem Wagen und Chauffeur.
    Unterwegs fragte ich ihn, ob es irgendwo hier im Studio wohl ein Bild von June Lincoln gebe.
    »Von wem?« Sein Name war Greg, stellte sich heraus. Er zückte ein kleines Notizbuch und einen Bleistift und schrieb etwas auf.
    »Sie war ein Stummfilmstar. 1926 war sie eine Berühmtheit.«
    »War sie bei diesem Studio unter Vertrag?«
    »Keine Ahnung«, gestand ich. »Aber sie war berühmt. Sogar berühmter als Marie Provost.«
    »Wer?«
    »›Aus der Stummfilmmutter wurde Hundefutter.‹ Einer der größten Filmstars ihrer Zeit. Aber sie starb völlig verarmt, nachdem der Tonfilm aufgekommen war, und ihr Dackel hat sie gefressen. Nick Lowe hat ein Lied über sie geschrieben.«
    »Wer?«
    »› I knew the bride when she used to rock and roll. ‹ Na ja, ist auch egal. June Lincoln. Ob irgendwer mir ein Foto raussuchen könnte?«
    Er kritzelte wieder etwas auf seinen Block. Starrte einen Moment darauf. Schrieb noch etwas. Dann nickte er.
    Wir kamen ins Freie und mein Wagen wartete.
    »Ach übrigens«, sagte er. »Eins müssen Sie wissen: Er redet Scheiße.«
    »Wie bitte?«
    »Er redet Scheiße. Es waren nicht Spielberg und Lucas, die bei Belushi waren. Es waren Bette Midler und Linda Ronstadt. Sie haben eine Koksorgie veranstaltet. Das ist allgemein bekannt. Aber er redet nur Scheiße. Und er war nur ein verdammter kleiner Buchhalter bei dem Indiana-Jones-Film. Redet, als wär’s sein Film gewesen. Arschloch.«
    Wir gaben uns die Hand. Ich stieg in den Wagen und fuhr zum Hotel zurück.

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    Die Zeitverschiebung holte mich in dieser Nacht ein und um vier Uhr morgens war ich endgültig hellwach.
    Ich stand auf, ging pinkeln, dann zog ich eine Jeans über (ich schlafe in einem TShirt) und ging nach draußen.
    Ich wollte die Sterne sehen, aber die Lichter der Stadt waren zu hell, die Luft zu verschmutzt. Der Himmel war ein dreckiges, sternloses Gelb. Ich dachte an all die Konstellationen, die man in

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