Die Messermacher (German Edition)
nehme ich an, dass auch der Hund noch nicht wieder zurück ist?“, fragte Joska, obwohl er die Antwort bereits ahnte.
„Nein, leider auch nicht. Aber wir melden uns, sobald die beiden auftauchen. Ganz bestimmt“, fügte Tobias noch hinzu und war über seine feste Stimme selbst erstaunt. Konnte er also doch gut lügen, wenn er dazu gezwungen wurde!
Nachdem dieses Telefonat erfolgreich beendet war, wurde Tobias von allen Seiten gelobt und sofort ging die Diskussion weiter. Doch Nora beendete diese plötzlich mit einem Ausruf: „Ich hab`s!“ Es klang fast wie Wickie aus der Zeichentrickserie von damals, nur hatte sie während ihrer Überlegungen eine lange Haarsträhne immer wieder um den Finger gewickelt und sich nicht die Nase gerieben.
„Opa soll doch einfach sagen, dass er vor dem Fernseher eingeschlafen ist und als er nachts aufwachte und nach seiner Frau schauen wollte, lag diese schon tot im Bett. Das hat ihn so geschockt, dass er Panik gekriegt hat und einfach davongefahren ist. Ist doch eigentlich ganz einfach und plausibel, oder?“, fragte die junge Dame zustimmungsheischend in die Runde. Alle ließen sich diese Geschichte genauestens durch den Kopf gehen, und niemand konnte daran etwas aussetzen oder einen Denkfehler erkennen.
„Also dann … sollen wir Opa anrufen und ihm diese Geschichte schmackhaft machen?“, wollte Nora eifrig wissen und sie griff bereits zum Telefon.
„Halt!“, rief Marianne dazwischen. „Könnte er nicht trotzdem wegen unterlassener Hilfeleistung drankommen? Muss man nicht immer, auch wenn man glaubt, jemand sei tot, den Notarzt anrufen?“
„Keine Ahnung. Er könnte ja behaupten, dass bei ihr bereits die Totenstarre eingesetzt hätte und er somit davon ausgegangen ist, dass sie schon länger tot sein musste. Immerhin hat er mehrere Stunden auf dem Sofa geschlafen“, erklärte Nora, als wäre sie eine Mitarbeiterin der Kriminalpolizei.
„Du liest wirklich zu viele Krimis, meine Liebe“, stellte Marianne zärtlich lächelnd fest. „In diesem Falle stellt sich das aber als äußerst hilfreich heraus. Aber wozu gibt es das Internet. Vielleicht finden wir da etwas, was uns die Frage bezüglich der unterlassenen Hilfeleistung beantworten kann.“
„Ich mach das!“, erbot sich Felix natürlich sofort, denn er war froh, auch etwas beitragen zu können. Allerdings behagte es ihm gar nicht, die Polizei anzulügen, denn er hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und war sich sicher, dass ihre Lügen irgendwann aufgedeckt werden würden. Doch momentan wusste er auch keinen besseren Rat, um seinen Großvater zu beschützen. Sofort setzte er sich an den Firmen-PC und gab in Google den Suchbegriff „Unterlassene Hilfeleistung“ ein. Unter anderem war natürlich auch seine Lieblingsseite „Wikipedia“ aufgeführt und er klickte auf den Link.
„Du meine Güte!“, rief der lesefaule Junge aus. „So viel Text!“, was seine Schwester dazu nötigte, ihm über die Schulter zu schauen und zu helfen, den richtigen Absatz zu finden.
„Scroll mal hier runter, da steht was“, forderte sie ihren Bruder auf und während Felix den Text leise las, war Nora bereits damit fertig und las ihn den anderen laut vor:
„Also … hier steht:
Hilfe ist auch nicht erforderlich, wenn die Hilfe von vornherein aussichtslos ist. Dies kann aber nur in wenigen Fällen angenommen werden, z. B. wenn das Opfer bereits offensichtlich tot ist ( sichere Todeszeichen ).
Na bitte! Da steht`s doch. Er war sich sicher, dass sie tot ist und kann somit nicht dafür bestraft werden, keinen Notarzt angerufen zu haben. Kommt schon, Leute. Lasst uns Opa anrufen!“, rief Nora geradezu euphorisch und steckte damit ihre ganze Familie an. Ja, so konnte es klappen und Reno konnte wieder nach Hause kommen!
So kam es, dass Reno versprach, gleich morgen früh loszufahren. Heute wollte er sich das nicht mehr zumuten, dafür war er eindeutig zu müde und auch zu aufgewühlt. Außerdem hatte Helene ihn zum Abendessen eingeladen, aber das hatte er für sich behalten. Es hätte sicherlich kein gutes Licht auf ihn geworfen, wenn er so kurz nach dem Tod seiner Frau bereits zu einer anderen ging. Aber sie hatte ihn so freundlich gefragt und er war für diese Ablenkung auch sofort dankbar gewesen und deshalb hatte er zugesagt. Er fand sie ganz sympathisch, aber dass er sich nichts aus Frauen machte, brauchte sie ja nicht zu wissen. Seine Familie wusste es ja auch
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