Die Messermacher (German Edition)
Hörer und wählte mit so starkem Herzklopfen, wie ich es noch nie gespürt hatte, die Nummer der Werkstatt Angerer.
Das Klingeln des Telefons riss Jakob und Tobias aus ihrem Dämmerschlaf und der Ältere erbot sich seufzend, nach drinnen zu gehen und abzunehmen. Wer konnte das so spät noch sein? Die Kunden und Lieferanten wussten doch, dass die Werkstatt um 16 Uhr nicht mehr besetzt war und privat hatten Reno und Adele eine eigene Nummer, die nur wenige Leute kannten. Nach dem Klingelton zu urteilen, war es aber die Geschäftsnummer und Jakob meldete sich entsprechend. Der alte Hund lag immer noch schnarchend in seinem Korb und bekam von alldem nichts mit.
„Messermanufaktur Angerer, Jakob Angerer am Apparat“, meldete sich eine mir vertraute Stimme. Das musste der älteste der Angerers sein. Das war gut so, denn der kannte mich als zuverlässigen Geschäftspartner, obwohl er nicht wusste, wie ich aussah. Wir kannten uns nur vom Telefonieren.
„Hallo Jakob! Ich bin`s, der Rüdiger aus dem Osten“, stellte ich mich vor, denn dieses Ost- und West-Geteile steckte immer noch in uns.
„Tag Rüdiger! Lange nichts mehr von dir gehört! Wie geht`s und was machen die Geschäfte?“, fragte Jakob und er schien wirklich erfreut, meine Stimme zu hören. Auch das war eine gute Grundlage für unser weiteres Gespräch. Anscheinend war bei den Angerers alles in bester Ordnung und Reno wurde noch nicht vermisst. Die gingen bestimmt davon aus, dass er eine geschäftliche Tour im Osten machte, denn das war ja nichts Ungewöhnliches. Ob er zu Hause wohl immer erwähnte, welche Firmen er besuchen würde? Jetzt musste ich vorsichtig sein.
„Danke, mir geht`s hervorragend und die Geschäfte laufen gut. Ich hab nur ein Problem mit einem Lieferanten und wollte Reno dazu etwas fragen“, fing ich an und beließ es zunächst bei dieser Aussage. Vielleicht würde mir Jakob ja durch seine Antwort erste Hinweise liefern, wo Reno war und so war es dann auch:
„Du … ich muss dir was sagen“, murmelte da der Jakob so leise, dass ich es fast nicht verstand.
„Ja?“, hakte ich aufgeregt nach und mir wurde fast schlecht vor Spannung.
„Meine Mutter ist heute Nacht verstorben“.
Was? fragte ich mich. War das eventuell der Anruf von Tobias gewesen, wo er Reno mitteilen wollte, dass seine Frau gestorben war?
„Mein … Beileid“, stammelte ich. „An was ist sie denn gestorben? Reno hat mir erzählt, dass sie sehr krank war.“
„Ja, sie hatte Lungenkrebs und ist an Herzversagen gestorben“, klärte mich Jakob auf und ich hatte momentan den Faden verloren. Diese neue Erkenntnis traf mich dann doch mehr, als ich zunächst gedacht hatte. Wie sollte ich mein Gespräch nun auf den verschwundenen Reno bringen. Doch wieder half mir Jakob mit seinen nächsten Worten.
„Mein Vater hat wohl einen Schock bekommen und ist einfach auf und davon …“, versuchte er zu erklären, doch mein entsetzter Aufschrei, den ich einfach nicht unterdrücken konnte, ließ ihn innehalten. Wie konnte Reno seine tote Frau in genau der Nacht entdecken, in der ich ihn umgebracht hatte? Das ergab doch alles keinen Sinn! Die nächsten Worte von Jakob brachten mich dann dazu, auf die Knie zu sinken. Nur mit größter Mühe konnte ich noch den Telefonhörer halten und seine Worte zwar hören, aber nicht kapieren.
„Reno hat vor circa zwei Stunden hier angerufen und uns das so erklärt. Er hat immer noch einen Schock, deshalb möchte er sich heute nicht mehr ins Auto setzen. Er kommt morgen Nachmittag nach Hause.“
Wer kommt morgen Nachmittag nach Hause? dachte ich nur und zwang mich zur Ruhe. Leise brachte ich heraus:
„Das freut mich, dass er nach Hause kommt“, doch ich dachte nur: Wer liegt dann bei mir tot in der Gefriertruhe?
Jakob, der anscheinend nicht merkte, dass ich einem Nervenzusammenbruch nahe war, fragte freundlich, ob Reno mich anrufen solle, wenn er zurück war und ich sagte nur „Ja, das wäre nett“.
„Gut, dann wünsch ich dir noch einen schönen Abend und mach`s gut“, sagte Jakob, doch bevor ich mich ebenfalls verabschieden konnte, fragte er noch, ob ich zur Beerdigung am Freitag kommen würde. Doch diese Entscheidung konnte ich jetzt so schnell nicht treffen, ich musste erst gründlich nachdenken und ich sagte ihm, dass ich es versuchen würde, aber erst meine geschäftlichen Termine durchgehen müsse. Damit war das Gespräch beendet und ich ließ das Telefon kraftlos aus
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