Die Messermacher (German Edition)
auf. „Ich geh mal nach oben. Vielleicht liegt er ja in Omas Bett?“
„Kann ich mir zwar nicht vorstellen, aber nachgesehen haben wir nur in seinem Schlafzimmer und im Bad. Geh nur und schau nach, damit du beruhigt bist“, meinte Jakob nur und wandte sich wieder seinem Werkstück zu.
„Es könnte doch sein, dass er irgendwo liegt und bewusstlos ist … oder sogar tot! Woher wollt ihr das wissen?“, schrie Nora beim Hinausgehen und hastete durch ihre eigenen Worte in Panik geraten in den ersten Stock. Sie riss die Tür zu Adeles Schlafzimmer auf und als sie niemanden im Bett liegen sah, schaute sie im ganzen Zimmer, sogar im Schrank nach, doch sie fand ihren geliebten Opa nicht. Darüber war sie einerseits froh, denn wenn sie ihn hier irgendwo bewusstlos oder tot gefunden hätte, wäre das ein fast noch größerer Schock gewesen! Auch im Badezimmer war er nicht und auch nicht im Gästezimmer. Nun blieb nur noch der Speicher! Vielleicht hatte er in alten Erinnerungsstücken kramen wollen und war dabei umgekippt? Alles war möglich, obwohl die Treppe nicht heruntergeklappt war. Nora machte sich keine Gedanken darüber, ob man die Treppe auch von oben wieder zuziehen konnte und schnappte sich die Stange mit dem Haken, um die Zugtreppe herunterzuziehen. Das machte ein laut quietschendes Geräusch, das ihren Bruder Felix dazu veranlasste, ebenfalls in den ersten Stock zu kommen und nachzusehen, was seine Schwester da trieb.
„Was machst du denn da? Glaubst du, Opa ist da oben und hat die Treppe hochgezogen?“, fragte er mehr als verwundert, denn soweit er wusste, war das erstens ziemlich schwierig und zweitens total unsinnig! Warum sollte man, wenn man alleine im Haus war, die Treppe hochziehen? Das fragte er dann auch Nora, doch die antwortete, inzwischen oben angelangt, nur gereizt:
„Was weiß ich? In der Trauer machen Leute nun mal Dinge, die nicht unbedingt logisch sind, oder?“
„Ist er nun da oben, oder nicht?“
„Wie soll ich bei dem vielen Gerümpel so schnell alles übersehen können, Felix!“, schimpfte Nora und schickte ihren Bruder wieder an die Arbeit.
„Ich schau nur schnell alles durch und dann komm ich wieder runter“, beruhigte sie Felix und es hörte sich so an, als würde sie sowieso nicht damit rechnen, ihren Opa hier oben zu finden. Felix gab sich damit zufrieden und trottete wieder nach unten. Auch er konnte sich das Verhalten seines Großvaters nicht erklären.
Als Nora auch den letzten Winkel durchsucht und ihren Opa (glücklicherweise) nicht gefunden hatte, kam sie wieder nach unten und rannte durch die Werkstatt hinaus zum Hinterausgang in den Garten. Niemand fragte, was sie jetzt wieder vorhatte, denn allen war klar, dass das aufgeregte Mädchen nun den ganzen Garten und die große Doppelgarage nach ihrem Opa durchsuchen würde. Ihre Familie ließ sie jedoch gewähren, denn vorher würde sie sowieso keine Ruhe geben. Nach einer halben Stunde kam Nora mit total verdreckten Schuhen und Gestrüpp im Haar wieder zurück.
„Wo warst du denn?“, fragte Felix, doch seine Schwester schnaubte nur: „Überall im Garten.“
Da sie nun wortlos an ihren Arbeitsplatz ging und zu arbeiten anfing, war allen klar, dass sie Reno wohl nicht gefunden hatte.
Was nun?
Wie lange warten, ohne irgendwas zu tun?
Doch lange konnte sich Nora nicht auf ihre Arbeit konzentrieren, bald schon sprang sie auf, sodass ihr Rollstuhl nach hinten an den Schrank donnerte, was ihrem Vater ein strenges „Nora!“ entlockte. Doch die junge Dame achtete gar nicht darauf und verkündete:
„Ich ruf den Herrn Kiss von der Kripo an. Der wird wissen, was zu tun ist!“
Doch ihr Vater hielt sie zurück.
„Es ist noch zu früh, Nora. Wenn ein Erwachsener vermisst wird, wartet man mindestens zwei Tage, bevor man eine Vermisstenanzeige aufgibt. Aber wenn du mir nicht glaubst, dann ruf ihn halt an“, fügte er dann doch resigniert hinzu, als er das verzweifelte Gesicht seiner Tochter sah.
Bevor Nora jedoch zum Telefon griff, fiel ihr der komische Zettel wieder ein. Sie kramte ihn aus ihrer Hosentasche, faltete ihn auseinander und las ihn nochmals durch:
Vergiss das restliche Geld nicht! Mike
„Du … Marianne … guck mal. Der Zettel lag auf deinem Arbeitsplatz. Weißt du, was das bedeutet?“, fragte Nora vorsichtig, denn irgendwie hatte sie Angst vor der Antwort, obwohl sie sich dieses Gefühl überhaupt nicht erklären konnte. Doch Marianne war
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