Die Messermacher (German Edition)
Hinter meinem Haus standen ein paar dichte Büsche, in denen wir uns als Kinder immer unsere Lager gebaut hatten. Denn in der Mitte war ein kleiner Hohlraum. Dort wollte ich nun das Loch graben und darauf ein paar Steinplatten legen, sodass keine wilden Tiere die Leichen wieder ausgraben konnten. Zumindest war das soweit mein Plan und ich war jetzt schon genervt von der wahnsinnigen Anstrengung, die mich da erwartete, doch eine andere Lösung fiel mir nicht ein. Also machte ich die Haustüre wieder zu, sodass der Hund mir nicht folgen konnte, stellte aber vorher noch eine Wasserschüssel hin und machte mich mit meinem Spaten an die Arbeit. Die Büsche waren so dicht, dass mich niemand sehen konnte, hören vielleicht schon, aber mein Grundstück war groß und die Büsche waren am äußersten Ende und danach fing gleich der Wald an. Das Rauschen der Bäume und das permanente Zwitschern der Vögel würden meine Schaufelgeräusche sicher überdecken. Vorsichtshalber hatte ich einen Zettel vorne ans Tor gehängt, dass ich ein paar Tage verreist wäre, was ich auch vorhatte, wenn ich das hier erledigt hatte. Der Hund schlief tief und fest, der würde hoffentlich nicht hören, wenn ein Auto vor dem Tor halten und hoffentlich gleich wieder wegfahren würde. Also verbrachte ich die nächsten Stunden mit schweißtreibendem Schaufeln und es rächte sich, dass ich so ein unsportlicher Typ war. Meine gute Figur verdanke ich ausschließlich meinen guten Genen und meinem zuverlässigen Stoffwechsel. Auch jetzt noch konnte ich essen, was ich wollte, ich wurde nicht dicker, aber auch nicht kräftiger, wie ich leider feststellen musste. Aber es half ja alles nichts, ich hatte eine frische Leiche und eine gefrorene zu entsorgen und das musste sehr bald geschehen, sonst hatte ich ein ernstes Problem. Also … schaufeln, schaufeln, schaufeln und nicht an die protestierenden Muskeln denken!
22
Nora verbrachte den ganzen Sonntag grübelnd in ihrem Garten in der Hängematte, manchmal nahm sie ihr Beckett-Buch zur Hand und ließ sich für einige Zeit ablenken, doch immer wieder kreisten ihre Gedanken um ihren Opa und die letzten Ereignisse. Warum wurde sie nur das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte und dass sich über ihrer Familie etwas zusammenbraute? Es war doch bisher immer alles einigermaßen harmonisch gewesen, wenn man mal von den Launen ihrer Großmutter absah. Alle Angerers verstanden sich super und arbeiteten hervorragend zusammen. Die Ehe ihrer Eltern war gut, der Umgangston freundlich und es fehlte weder ihr noch ihrem Bruder an irgendetwas. Sie hatten alles, was moderne Jugendliche heutzutage so glaubten zu brauchen: iPod und iPad, Wii-Sport-Spiele, Nintendo, modernste Handys, Mofas, tolle Urlaube und bald würde sie auch ihr erstes eigenes Auto bekommen: ein weißes Fiat 500 Cabrio! Was wollte man mehr?
Doch Nora hatte so ein komisches Gefühl, dass das bald alles nicht mehr von Bedeutung sein könnte, sie wusste nur noch nicht, warum. So fieberte sie dem Abend entgegen, an dem ihr Opa endlich wieder nach Hause kommen sollte. Aber die Zeit ging so unendlich langsam vorbei, dass sie sogar ihren Bruder dazu nötigte, mit ihr ein bisschen Federball zu spielen. Zunächst genervt, doch dann mit Begeisterung spielte er mit, als gelte es ein Turnier zu gewinnen. Es tat vor allem Nora richtig gut, sich endlich mal wieder so richtig zu verausgaben! Ihr Bruder spielte ja regelmäßig Tennis und sie gab Tanzunterricht, aber als Lehrerin kam sie doch nicht immer dazu, sich selbst vollkommen auszutoben. Dazu musste sie viel zu oft korrigieren und konnte selbst nicht die ganze Zeit mittanzen. Also sprang sie heute nach jedem Ball und setzte sich mit aller Kraft für einen langanhaltenden Ballwechsel ein. Das machte richtig Spaß und sie vergaß für einige Zeit ihre Sorgen. Doch als die Sonne schließlich glutrot hinter dem Hohenstaufen versank und einen mit lila Schlieren überzogenen Himmel hinterließ, warf sie ihren Schläger erschöpft ins Gras und ließ sich gleich hinterher plumpsen.
„Ich kann nicht mehr – ich bin erledigt. Ob Opa wohl schon da ist?“, fragte sie, doch Felix schüttelte den Kopf:
„Bestimmt nicht, sonst hätte er sich doch schon gemeldet. Warum machst du dir eigentlich so viele Gedanken? Lass Opa doch das tun, was er momentan für richtig hält.“
„Ich versuch`s ja, aber es ist halt so ungewöhnlich für ihn und deshalb mach ich mir über seinen Gemütszustand Sorgen!“,
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