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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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noch nicht begonnen hatte.
    Die Straße, zwischen zwei Zickzacklinien von Hütten gelegen, war leer. Niemand war auf den Beinen, nicht einmal die Tiere. Bei ein paar Mühlen standen die Flügel still. In der Ferne der Mond, fast durchscheinend, groß wie ein Kopf, schon sehr tief. Plötzlich sah sie, wie ein paar dünne, über den Himmel ziehende Wolken sich rosa färbten, und in diesem Augenblick erklang wieder das Tirilieren, von dem sie aufgewacht war, glasklar und lang gezogen: ein Stieglitz. Mit einer kleinen Talgkugel, die vom Vordach hing, hatten sie eine Heidelerche angelockt, die ihnen manchmal tagelang etwas vorsang, aber sie war scheu. Die Stieglitze hingegen, mit ihren grünen und grauen Flügeln, hatten mit ihr Freundschaft geschlossen und fraßen ihr das Vogelfutter aus der Hand. Welcher wohl gerade sang? Er war nicht zu sehen.
    Sie wollte etwas fürs Frühstück holen gehen. Ihr Mann würde nicht aufwachen, bevor es an der Zeit war, in die Kaserne zurückzugehen; gestern war sein freier Tag gewesen und er hatte ihn mit Trinken und Würfelspiel zugebracht.
    So geräuschlos, wie sie hinausgegangen war, kam sie wieder herein und zog sich ein Kleid an, das ihr, wie alle Kleider im Dorf, die Indianerinnen genäht hatten. Sie stellte das Körbchen auf den Tisch und betrachtete den Jungen, der seufzte und schließlich ganz ernst die Augen aufschlug. Vielleicht wollte er noch nicht aufwachen. Doch als Erna ihn hochhob und etwas murmelte, lachte er verschlafen. Er war schon zehn Monate alt. Er war schmal und klein, sah zerbrechlicher aus, als er in Wirklichkeit war, hatte dunkles, sehr langes und feines Haar. Mit ihm auf dem Arm klappte Erna die Wandschirme vor dem Fenster auf, damit das Licht Gombo nicht weckte, und ging hinaus. Francisco rieb sich kräftig die Augen.
    Sie ging hinaus und schlenderte die leere Straße entlang. Aus den Hütten hörte man Geräusche, ein Wort, ein Weinen, das nach der Brust verlangte. Ein Hase, einer von den vielen, die sich die Dorfkinder als Spielgefährten hielten, kam auf Erna zugelaufen und setzte sich, um sie zu beobachten. Kurze Zeit später, wenn die Sonne aufgehen würde, würden sie diese so versunken betrachten, dass sie sich von den Pferden, die sie fraßen, fangen und töten lassen würden.
    Aus einer Hütte kam eine zerzauste Frau in einem weißen Kleid, das so verknittert war, dass es aussah, als habe sie darin geschlafen. Sie blieb, verdutzt und vom Licht geblendet, in der Türschwelle stehen. Ernas Gutenmorgengruß ließ sie zusammenfahren. Als sie sie sah, sagte sie ihr, sie solle warten und lief hinein, um gleich darauf mit einem schlafenden Baby auf dem Arm und einer Bürste, mit der sie zerstreut ihre Mähne in Ordnung brachte, wieder herauszukommen. Sie gingen Richtung Bach, während aus dem Dorf erste Lebenszeichen zu hören waren. Noch war das erste Hornsignal vom Fort nicht erklungen, aber es konnte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Soldaten kamen aus den Hütten, um rechtzeitig Aufstellung zu nehmen, sie liefen wie Schlafwandler, das Saufgelage der Nacht noch in den Gliedern. Sie sahen nichts, nicht einmal den Tag. Sie würden einen guten Teil des Morgens brauchen, um wieder in die Reihe zu kommen. Einige Frauen dagegen kehrten mit Milcheimern von den Bachauen zurück.
    Ein verschlafener Soldat hatte sich zum Pinkeln direkt an den Rand der Veranda seines Hauses gestellt und wankte gefährlich.
    Nachdem sie einen der Hügel, auf denen die Bauten ruhten, umrundet hatten, ragte das Fort vor ihnen auf, ein lang gezogenes Gebäude von etwa zweihundert Metern, mit hohen Bambuszäunen, die nur von dem Wachtturm überragt wurden, auf dem ein Soldat vor sich hin döste, und den vier Ecktürmen.
    Sie hoben den Blick zum Horizont über dem Bach: Der Himmel erstreckte sich in unsichtbaren Spiralen bis in die Tiefen des Raumes. Über unglaubliche Luftkanäle strömten die Vögel herbei, stürzten sich im letzten Augenblick eines gegen die Schwerkraft gerichteten Falls hinunter, und das Geschrei brach hart, manchmal klein wie Mandeln, hervor.
    Wie jeden Morgen war die bunte Szene auf der Wiese eine Augenweide. Rechter Hand, an der Grenze zum Wald, befand sich das Sonnenzeltlager der friedlichen Indianer, die man zum Schutz des Forts aufgenommen hatte. Um diese Uhrzeit waren sie schon längst auf den Beinen; sie versammelten sich, um ihre kleinen weißen Kühe zu melken, und zündeten Lagerfeuer an, um die sie den ganzen Morgen über saßen, frühstückten

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