Die Mestizin
schicken.»
Sie zuckte die Schultern.
«Mir ist es gleich. Außerdem bin ich überzeugt, dass das alles gelogen ist. Wer weiß, was Espina im Schilde führt, aber ich könnte schwören, die Indianer haben nichts damit zu tun.»
Die Hütte war merkwürdig eingerichtet, mit roten Zwergenstühlchen, einer Bougainvillea in einem blauen Blumentopf und einer Reihe ausgestopfter Reiher. Sie brachten den Morgen mit Plaudern und Rauchen zu, während Francisco mit den Kindern der Hausherrin spielte. Etwa um die Mittagszeit kam ein Indianermädchen auf der Suche nach Erna vorbei: Sie hatten von weitem die Wilden gesehen, auf der anderen Seite des Baches. Sie gingen sofort hinaus und schlossen sich dem Zug der Frauen an, die zum Hügel unterwegs waren. Es wurde mit Befremden kommentiert, dass der Oberst keinen Beschluss gefasst hatte, der Bevölkerung Asyl zu gewähren. Sie nahmen an, er werde die Schlacht in der Ebene stattfinden lassen.
«Und wenn er sie nicht aufhalten kann?»
Alle hatten auf die eine oder andere Weise den Verdacht, dass an der Sache irgendetwas faul, irgendetwas nicht ganz real war.
Als sie auf dem Hügelkamm angelangt waren, konnten nur die mit dem schärfsten Blick am Horizont, unter den Nebelschwaden, die der Regen hinterlassen hatte, die insektenkleinen Gestalten der Vorhut der Wilden erkennen. Auf den Gefechtstürmen des Forts drängten sich die Offiziere mit Fernrohren, und manchmal flatterte ein Lichtreflex auf den Linsen wie eine Motte zwischen den Leuten hin und her. Die Kinder spielten aufgekratzt und liefen davon, trotz der Ermahnungen der Mütter.
Die Gestalten wurden sehr schnell größer. Es ging das Gerücht um, der Oberst habe ein Treffen von Gesandten vorgeschlagen. Ob es nun stimmte oder nicht, sie waren sicher, dass sie einer Verschwörung beiwohnen würden und nicht einer Schlacht. Der Zug blieb stehen, und ein paar Dorfobere traten zögerlich ein paar Schritte nach vorn.
Die Tore des Forts öffneten sich. Heraus trat der Oberst höchstpersönlich mit einer Eskorte. Es gab nur wenige Gelegenheiten, ihn zu Gesicht zu bekommen, da er die Festungsmauern nie verließ: ein kräftiger Mann mit einem großen grauen Schnurrbart, der durch den Kontrast mit der dunklen Haut weiß wirkte. Er ritt in Galauniform auf einem robusten Falben den Wilden entgegen, die sich im Schritt von der andern Seite des Baches näherten. Sie waren rot und golden bemalt, Füße und Waden hatten sie blau gefärbt. Die Kompanie des Obersts durchwatete den Bach an einem Kiesstrand.
Ein paar Meter voneinander entfernt blieben sie stehen. Espina ergriff als Erster das Wort. Obwohl er mit donnernder Stimme sprach, waren seine Worte auf dem Hügel nicht zu verstehen. Die Indianer schielten zu Boden und antworteten mit Husten und einsilbigen Worten. Die Reden dauerten lange. Die Angelegenheit blieb verwickelt.
Erna drehte sich um und sah zum Fort. Auf den Türmen waren die Geliebten erschienen, wie Puppen in Seide und Tüll gehüllt, die Gesichter verborgen unter greller Schminke. Man sah sie selten. Nur gelegentlich machten sie eine Ausfahrt in den Wald, in geschlossenen Planwagen.
Das Gespräch war an einer impasse angelangt. Die Männer schwiegen, und die Pferde wurden bockig auf ihren Plätzen. Schließlich befahl der Oberst seinem Stellvertreter, in gestrecktem Galopp ins Fort zurückzujagen. Keine fünf Minuten später (alles war vorbereitet) kam er wieder heraus, nun ganz langsam, während es um ihn so still war, dass man die Grillen zirpen hörte. Hinter ihm fuhr ein gewaltiger Karren, der von zwei Stuten gezogen wurde. Die Fracht war mit Planen abgedeckt und schwankte, als werde sie gleich herunterfallen. Jetzt waren alle Zuschauer überzeugt, dass es sich um Theater handelte. Das hier musste wohl eine Art Lösegeld sein, für das die Indianer im Gegenzug den scheinbaren Indianerüberfall beenden sollten. Als sie den Bach überqueren wollten, baten sie ein paar Schaulustige um Hilfe, die die Gelegenheit nutzten, um einen Blick auf die Fracht zu werfen und folgendes Gerücht in Umlauf setzten: Es war Geld, Münzgeld und Stapel von Papiergeld. Viele weigerten sich, das zu glauben, da es in diesem Fall so kolossal viel sein musste.
Aber der Übergabeakt belehrte sie eines Besseren: Ein Indianer hob eine Ecke der Plane an und rührte mit der Lanzenspitze in dem Geld herum. Ohne ein Wort zu verlieren, ging er zum Kutschbock des Planwagens, und sie zogen langsam davon. Der Oberst sauste wie der Blitz zum Fort
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