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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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was sie hörten, war der Gesang der Vögel, ein wahrhaftes Zwitschergedonner, das die Insel Tag und Nacht erschütterte. Danach mysteriöse Hammerschläge.
    Schließlich zeichneten sich im Weiß graue Schatten ab, die sie im ersten Augenblick für Wolken hielten. Es waren aber Bäume, das prächtige Pflanzendach der Insel. Die Bäume schienen ihnen zu groß. Aber als sie näher kamen, schrumpften die Dimensionen auf ein normaleres Maß, bis sie schließlich an einem feinsandigen Strand anlandeten, wo alles mikroskopisch klein wirkte.
    Die Pferde verließen das Wasser als Erste; es folgten die Krieger, die sich sogleich an das mühsame Abladen machten. Die Kinder rannten schreiend und völlig aus dem Häuschen herum. Die Frauen sahen sich um. Offensichtlich hatten sie das Zeltlager verfehlt, denn von Zelten war keine Spur zu sehen.
    Als Hual mit Hilfe zweier Ehefrauen an Land ging, konnte er es sich nicht verkneifen zu zeigen, wie verzagt er war.
    «Wo mögen nur diese Nichtsnutze stecken? Wer weiß, wann wir sie finden werden.» Er betrachtete die Bäume, die an den Strand grenzten: «Blühende Gumbo-Limbos. Riecht ihr es nicht? Ich bin müde und möchte Musik hören, bevor ich mich schlafen lege.»
    Tatsächlich waren seine Augenlider vor Müdigkeit gerötet. Aber ein Blick auf seine Männer machte ihm klar, dass sie nicht gewillt waren, sich um ihn zu kümmern. Sie luden gerade das Gepäck ab, eine Arbeit, die ihnen auf die Nerven ging, weil sie dafür bis zum Oberkörper im Wasser stehen mussten.
    Kurz darauf tauchten hinter einem Strandhügel die jungen Männer auf. Hual konnte seine Ungeduld kaum im Zaum halten. Als sie endlich da waren, begrüßten sie sich wie immer überschwänglich. Sie sahen glücklich und zufrieden aus, und da sie die Launen des Prinzen gewohnt waren, verloren sie auch dann ihr Lächeln nicht, als sie seine fatalistischen Vorwürfe über sich ergehen lassen mussten.
    «Die Zelte sind längst aufgeschlagen, nicht einmal zweihundert Meter von hier, an einem geschützteren Strand.»
    «Bringt mich hin», sagte er.
    Sie brachen auf. Die jungen Männer schwatzten vor sich hin, freuten sich über jedes Detail der Insel. Hual unterbrach sie: Wie viele Magnaten sich denn eingestellt hätten?
    «Wir hatten wenig Zeit, uns umzusehen, und noch weniger, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen», sagten sie, «aber bis gestern waren höchstens drei kleinere Höfe da, und einer davon ist offenbar gestern Abend wieder abgereist.»
    Sie nannten ihm die Namen. Es handelte sich um Kaziken mittleren Rangs, einer davon ein Verwandter Huals. Die Saison hatte noch nicht begonnen. Erst Anfang Sommer, in zwei Monaten also, würden die Könige der Wüste herbeiströmen, um sich mit Spiel, Vertragsunterzeichnungen und Sonnenbädern zu vergnügen. Hual, der trotz seines Reichtums nicht die geringste Macht an sich gerissen hatte, zog es vor, einen Monat im Frühling hier zu verbringen. Er behauptete, dass die Feld-Wald-und-Wiesen-Politik, die dort betrieben werde, eine Farce sei und dass er die transzendentalere Frivolität des dem Laster frönenden Rückzugs und der erotischen Gesellschaft vorziehe.
    Nichtsdestotrotz war er bei keinem seiner Aufenthalte allein gewesen, weil sich das ganze Jahr über, einschließlich der impasse zwischen Winter und Sommer, müßiggängerische Kaziken samt ihrer Höfe hier einfanden.
    Die Zelte, die sie nach einem fünfminütigen Spaziergang erreichten, waren die Quintessenz der Zerbrechlichkeit. Sie ahmten zerschellte Muschelschalen nach, was dadurch erreicht wurde, dass man Papierchen an Gestelle aus schiefen, miteinander verknüpften Weideruten heftete. Unglaublich, dass der Sturm sie nicht hinweggefegt hatte. Aber die Zelte waren geschickt zwischen Bäumen platziert, und vielleicht hatte der Wind keinen Ansatzpunkt gefunden, um sie emporzuheben. Alle waren zum Wasser hin ausgerichtet. Der Duft frisch gewaschener Lindenblüten senkte sich auf das poetische, in Gelb und Ocker gehaltene Lager. Hinter den Zelten erhoben sich drei feierliche Türmchen, und um sie herum Bambusflöten, jede von ihnen vier Meter lang, die bei Ankunft der guten Geister geblasen werden sollten.
    Der Prinz, der immer noch unter der Wirkung des Schlafmohns stand, sah nichts. Zu einer seiner Ehefrauen gewandt, befahl er mit trüben Augen, man solle seine Matte in das Zelt in der Mitte legen, und verkündete, er werde weiterschlafen, womit er andeutete, dass sie die Gegend erkunden und vor allem die Kinder

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