Die Mestizin
Quellen der Insel zu suchen, obwohl sie wussten, dass sie nicht leicht zu finden war. Ohne es zu merken, stiegen sie eine waldige Bergflanke hinauf, bis sie Wasser plätschern hörten. Sie folgten dem Geräusch und stießen bald, zwischen grotesken Felsen, auf eine Mulde mit aufgewühltem Wasser. Außer Atem setzten sie sich auf die Felsen. Zwischen den Bäumen hindurch konnten sie, unglaublich tief unten, ein Stück des grauen Lagunengrunds sehen.
Etwas Jähes lenkte ihren Blick in Richtung Wasser: Es war ein sechs Meter langer, blauer Manatí, der sich unter der Oberfläche schlängelte. Wie war er auf diesen Gipfel gelangt? Oberhalb der Quelle waren Löcher, und aus einem davon kam plötzlich ein Thunfischkopf hervor: noch ein Manatí mit flachen Augen, der seine Nasenlöcher in die Luft reckte und beobachtete, was sein Artgenosse da so trieb. Die Ausflügler verkniffen sich jegliche Bewegung. Sie wussten nicht, ob diese Säugetiere gefährlich werden konnten.
Schließlich stürzte sich der Manatí aus der Grotte schwerfällig ins Wasser. Während des Falls konnten sie den blauen Körper in seiner Gänze bewundern: Es war ein Weibchen. Sie begriffen, dass sie gleich, vom Zufall begünstigt, Zeuge einer Paarung werden würden. Das Männchen konnte sich kaum mehr beherrschen vor Erregung. Als es auf dem Rücken schwamm, sahen sie links und rechts neben der Kloake zwei erigierte Hörner, so lang und dick wie Bleistifte, die in zwei scharfe Spitzen mündeten. Das Weibchen drehte sich: Die Kloake war umwickelt von Ringen aus einer wulstigen Substanz, die pochte. Sie schmiegten sich aneinander und sanken auf den Grund. Sie schrien, aber durch das Wasser klangen die Schreie immer entfernter. Sie wälzten sich, ohne in ihrer Ekstase voneinander abzulassen. Um sie herum breitete sich ein Gewirr aus weißen Fäden aus. Dann lösten sie sich voneinander und schossen blitzschnell nach oben; sie streckten die Köpfe aus dem Wasser wie zwei Schwimmer und schnaubten heftig: Sie waren mindestens fünfzehn Minuten unter Wasser gewesen. Fröhlich schwänzelnd schwammen sie ans andere Ende des Beckens.
Die jungen Männer waren wie verzaubert. Sie kosteten von dem Wasser: Es war eiskalt und hatte einen seltsam reinen und bitteren Beigeschmack. Wahrscheinlich war es der Geschmack der Manatis.
So beeindruckt waren sie, dass sie, als sie plötzlich eine menschliche Gestalt in der Grottenwand auftauchen sahen, einen Moment lang an unbekannte Tiere dachten… Es war jedoch ein Indianer mit kahl rasiertem Schädel, der vollständig mit glänzendem, leicht ins Rostrot stechendem Harz überzogen war und dessen Geschlechtsteile in einem weißen, mit Bändern befestigten Porzellannapf steckten. Amüsiert über die Verwirrung, die er hervorgerufen hatte, sah er sie an:
«Guten Tag», sagte er höflich. «Wer seid ihr?»
Sie sagten es ihm.
«Wollt ihr mit raufkommen und etwas mit uns trinken?»
«Das würden wir gern… aber wir wissen nicht, wie man da hochklettert.»
Der Indianer beugte sich vor, um ihnen die in den Fels gehauenen Stufen zu zeigen. Als sie oben waren, führte sie der Fremde zu einer Schieferplatte, an der seine Freunde saßen und würfelten. Sie waren perfekt bemalt und legten zwanglose, überlegene Umgangsformen an den Tag. Die Frauen hielten qualmende Zigarren in der Hand.
«Gedenkt ihr, länger zu bleiben?»
Sie wussten es nicht.
«Wir», sagten sie mit einem Seufzer, «langweilen uns schon seit mehr als einem Monat an diesen Stränden. Wir können es kaum erwarten, von hier wegzukommen, was, wie wir vermuten, bald der Fall sein dürfte.»
«Es kommt einem gar nicht langweilig vor.»
«Anfangs nicht. Aber ihr werdet’s schon noch merken.»
Dann hoben sie die eiförmigen Würfelbecher. Sie spielten mit einem herrlichen Satz Elfenbeinwürfel auf einem Doppelbrett.
Kaum waren die Wetteinsätze festgelegt, rollten die kleinen Würfel mit einem harten Klackern, dem einzigen Geräusch, das die Vögel zum Schweigen brachte. Alles war mit leeren Flaschen übersät – offenbar saßen sie schon seit Tagen hier herum. Doch noch gab es genug volle Flaschen, so dass sie ein ums andere Mal miteinander anstießen. Sie merkten gar nicht, wie die Zeit verging. Als sie sahen, wie spät es war, mussten sie sich verabschieden.
Der Prinz schlief natürlich immer noch, also konnten sie genauso gut etwas fürs Frühstück jagen, und die Kinder konnten ausschwärmen. Bis auf einige kurze Unterbrechungen hatte die Sonne
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