Die metallenen Herscher
Essen. Hier im Schiff!« sagte Ensheela laut. »Ich bitte, vollzählig zu erscheinen.«
»Jawohl!«
Über dem Herd, in einem der geöffneten Spezialschränke, lag die schwarze Kugel. Shemnouk hatte natürlich augenblicklich die Sympathien der beiden Mädchen erobert und wich nicht von der Seite entweder Saeys oder Ensheelas. Ivor hatte schnell erkannt, daß dies ein einfacher psychologischer Trick war; seine zweifellos originelle Art bezauberte – weil sie bezaubern sollte. Der Ball rollte vorwärts und fiel aus einer Höhe von hundertneunzig Zentimetern auf den Boden der Kombüse, federte hoch, änderte den Winkel und knallte dann im Zickzack gegen die Wände. Haarscharf verfehlte er Schalter, Borde und die Gläser von Warnanzeigen.
»Shemnouk essen.«
Er pfiff wie ein Dampfkessel.
»Shenandoah – hier spricht Ensheela. Was ißt Shemnouk?«
Sekundenlang herrschte Schweigen im Funknetz, dann sagte Shenandoah zögernd:
»Ich bin überfordert. Ich weiß es nicht. Versuche es einmal mit Grundnahrungsmitteln. Fett, Eiweiß, Kohlehydrate ...«
»Hat Shemnouk Hunger?« fragte Ensheela. Das Grübchen in ihrem Kinn vertiefte sich.
»Shemnouk hat Hunger und ißt Kohlehydrate.«
Ensheela lehnte sich gegen die Frontplatte des Tiefgefrierfaches und betrachtete den intelligenten Ball, der sich wie ein Kreisel vor ihren Füßen drehte.
»Ich werde verrückt!« stöhnte das Mädchen. »Zucker?«
Sie nahm ein großes Stück Zucker aus der Packung und legte es auf den Boden. Shemnouk stoppte seine Bewegung, rollte vorwärts, und dann sah es aus, als verlöre der Ball an Spannung. Shemnouk sah aus wie eine Kugel aus hauchdünnem Gewebe, die mit Wasser gefüllt war. Sekunden später wurde er wieder kugelrund und pfiff alarmierend laut.
»Mehr!« verlangte er.
Das Mädchen fütterte ihn mit mehr als zweihundert Gramm Zucker, den sie auf dem Boden übereinanderstapelte. Auch jetzt brauchte der Fremde nur Sekunden, um sich über die Kohlehydrate zu stülpen und sie zu absorbieren.
»Danke«, sagte er, pfiff, dann: »Genug.«
»Puhh! Nicht jedes Raumschiff ist silbern ...«, murmelte Ensheela und rief ins Mikrophon:
»Alles an Bord – Essen ist fertig!«
Fünf Minuten später saßen sie alle um den langen, schmalen Tisch in der Steuerkanzel des Schiffes. Die kleine Jacht, Eigentum von Sarrazin, war flügellahm; sie wurde von Ivor und Sneeper systematisch demontiert. Triebwerke, Verstrebungen, Leitungen und Steuereinrichtungen – alles verschwand in der Werkstatt beziehungsweise dort, wo die Werkstatt stehen würde.
Rodrigo lehnte sich zurück. Er war unrasiert und schmutzig.
»Ich habe mit Hilfe unserer Bedarfslisten und einem kleinen Rechengerät die Bestandsaufnahme gemacht. Gleichzeitig muß ich sagen, daß die Heizung im Lager unregelmäßig funktioniert, drei Leuchtröhren ausgefallen sind und diverse Kleinigkeiten mehr. Ich werde nach dem Essen sämtliche Systeme nachgehen und reparieren.«
»Genehmigt«, sagte Shenandoah. »Ich habe das verstreute Baumaterial gesammelt und sortiert. Die Reste wandern in das Schuttloch.«
Treen Cortedanee trank seinen Becher leer und breitete dann ein Papier auf dem Tisch aus. Die Gesichter der Freunde beugten sich darüber.
»Die Grundplatte des Wohnhauses ist glücklicherweise stehengeblieben«, sagte Treen. »Wir bauen aus den Plastiksteinen drei Mauern und die Wände des zentralen Korridors, den Rest müssen wir kaufen und einbauen. Ich sehe ein mobiles Haus auf der Platte vor, dessen Zimmer man beliebig vergrößern oder verkleinern kann.«
Der Plan wies eine Luftschleuse aus, die zwischen den Fenstern der Frontseite lag. Hinter der Schleuse verlief ein Korridor ins Haus hinein und mündete in einen Quergang. Von diesem Gang zweigten, durch Schotte gesichert, die einzelnen Zimmer und Kammern ab. Diese Bauelemente waren, wie auch die Wände aus luftdicht gebauten Schränken, verschiebbar. Darüber sollte ein Dach aus Stahlblech kommen, das mit Polyurethanschaum gefüllt war. Die Sicherheitsscheiben gingen auf den Raumhafen hinaus.
»Mit dem Plan einverstanden?« fragte Treen, nachdem er die einzelnen Linien erläutert hatte.
»Ja«, sagte Sneeper. »Vollkommen. Was mir besonders gut gefällt, ist der zentrale Besprechungsraum.«
»Wir stellen sämtliche Nachrichtengeräte dort auf«, erklärte Rodrigo. »Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit, ständig mit sämtlichen Schiffen korrespondieren zu können.«
»Genehmigt?«
»Vollständig klar. Brauchen wir viele
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