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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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amüsieren, weil es so komisch klang.
    Allmählich senkten sich die
Grasstreifen an den Wegrändern und wurden zu trockenen Gräben, und aus diesen
kleinen Tälern erhob sich der Boden an beiden Seiten zu sanften Hängen, die mit
Bäumen, üppigem Farn und Brombeersträuchern bewachsen waren.
    Cluas verstummte und stellte
sich auf die Hinterbeine, mit verwunderter Miene und zusehends glücklicher.
    «Fingerhutblütenwohnungen»,
rief er voller Freude, «Ferienwohnungen für zuverlässige Mieter.
Haustierhaltung nicht gestattet.»
    Und als sie gleich darauf an
einen Platz kamen, an dem hohe Fingerhüte wuchsen, winkte er mit den
Vorderbeinen und rief fröhlich:
    «Mami! Mami! Ich bin’s!»
    «Wer isses denn?» rief eine
Stimme in höchster Begeisterung aus einer der größten Blüten auf dem höchsten
Stengel. Und sogleich waren zahlreiche Stimmen aus dem Inneren der anderen
Blüten zu hören, die sagten:
    «Wer isses denn?»
    «Warst du’s?»
    «Ich doch nich!»
    «Wer denn dann?»
    «‘s muß Fräulein Nachbarblüte
gewesen sein.»
    «Was will sie denn?»
    «Sucht sie mich?»
    «Wieso denn?»
    Und ein paar Sekunden lang
flogen Bemerkungen wie diese von Blume zu Blume.
    Wieder rief Cluas:
    «Ich war’s, Mami. Ich!»
    «Wer ist denn ‹ich›, möcht’ ich
wissen? Doch nicht mein kleines Ohribohri, aus dem Krieg zurück? Doch nicht
mein kleines Zappelbein, das ganz zerwuckelt zurückkommt, mit Bauchweh und Kopfrumpeln?»
schrie die zitternde Stimme in der höchsten Blume.
    «Kopfrumpeln!» wiederholten die
anderen Stimmen entsetzt.
    Ein dicker, matronenhafter
Ohrwurm, der eine Schürze und eine altmodische Haube trug, erschien am Rand der
Blüte. Sobald er zu sehen war, tauchten Hunderte anderer, die ihm sehr ähnlich
sahen, aus ihren Blütenkelchen auf, neugierig zu erspähen, wer angekommen sei.
    «Doch nicht mein Wuselchen mit
halb kaputten Kneiferchen und Bauchgrimmen vor Granatenschocks, vor lauter
Rumtoben mit seinen Kumpanikern und den doofen alten Napoleon-Blödmännern?»
fuhr die Mami fort, die immer noch nicht wagte, aufzuschauen und sich die
Vorderfüße schützend vor die Augen hielt.
    «Schau doch her, Mami. Ich bin
wieder da, gesund und munter», sagte Cluas vergnügt.
    «Kann ja sein», sagte seine
Mami und sah auf. «Aber während du weg warst, war ich so völlig fertig — das
würd’ ich nicht mal ner Mikrobe wünschen.» Ihre Stimme zitterte.
    «Sie würd’s nicht mal ‘ner
Mikrobe wünschen, die Ärmste», wiederholten die anderen mit Stimmen, die vor
Mitleid bebten.
    «Völlig fertig? Was, fertig!
Ich würd’ ja jederzeit wieder in Urlaub hingehn», sagte Cluas unbekümmert, um
sie aufzumuntern. «Na, jedenfalls bin ich jetzt wieder zu Hause, und es ist
auch noch alles an mir dran — ist doch alles bestens, findest du nicht, Mami?»
    «Alles bestens, sagt der. Wo er
doch ohne seine Galoschen losmarschiert war! Du keckes kleines Schnapsnäschen!
Ist ja ‘n Wunder, daß du nicht mit Galoppschwindsucht und Bronchicalmuffeln
zurückgekommen bist. Kapierst du überhaupt, was das alles für ‘ne Mami
bedeutet?» wies sie ihn zurecht und versuchte, ihn mit strenger Miene
anzusehen.
    Da verabschiedete sich Cluas,
und Pidge ließ ihn von seiner Schulter herabklettern und hielt seine
Fingerspitze an die Blüte. Dann verabschiedeten sich die Kinder von ihm und
dankten ihm dafür, daß er sie aus dem Schloß Durance befreit hatte. Und Brigit
erklärte, er sei bestimmt der tapferste Ohrwurm der Welt und daß sie alle
großes Glück gehabt hätten, weil er sich nicht vor der Gefängniswärterin oder
diesem dämlichen Zwerg gefürchtet hatte.
    Und die Mami entschuldigte sich
dafür, daß sie bis jetzt nicht mit ihnen gesprochen und vor lauter mütterlicher
Sorge ganz ihre guten Manieren vergessen habe, und sagte, sie sei ihnen sehr zu
Dank verpflichtet, daß sie ihrem Sohn den langen Heimweg erspart hätten und daß
sie ihn davor gerettet hätten, sein Leben im Kampf zu verlieren. Sie dankte
ihnen auch dafür, daß sie ihr lebenslängliche Herzstolperei und Kopfschmetterei
erspart hätten, und sie sagte, Buben seien nun mal Buben.
    «Ich bin schon erwachsen,
Mami», sagte Cluas, als sie einmal Atem holen mußte.
    «Wenn du erwachsen bist, wieso
warst du dann in der Infantillerie?» fragte sie bissig, und sie hakten sich
unter und spazierten in den rosafarbenen Tunnel, der ihr Zuhause war.
    «Also», hörten sie sie sagen,
«was hat es nun eigentlich auf sich mit dieser Gefängniswärterin und

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