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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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Gehirn war wie zwei
Walnußhälften, braun und eingeschrumpft und fast hinüber. Und nicht einmal das
Echo einer Seele; leer wie Hülsen. Sie waren wie vertrocknete Blumen.»
    «Was sollen wir nur tun? Was
können wir überhaupt noch tun?» fragte Pidge verzweifelt.
    «Ach, herrje!» sagte Cluas, und
es hörte sich ganz überrascht an. «Das hätte ich euch natürlich zuallererst
sagen sollen. Ich kann das Türschloß knacken. Es geht ganz leicht.»
    «Was? Das kannst du?»
    «Was würde meine Mami denn von
mir denken, wenn ich so was Kinderleichtes nicht fertigbrächte!»
    «Sehr gut», murmelte Brigit.
«Und dann sollen sie nur versuchen, uns noch aufzuhalten.»
    «Überhaupt nichts dabei. Setzt
mich in das Schlüsselloch.»
    Pidge hielt den Fingerknöchel
ans Schlüsselloch, und Cluas verschwand darin. Nach einer Minute schwang die
Tür so lautlos auf, wie sie sich geschlossen hatte, und Cluas tauchte an der
Außenseite aus dem Schlüsselloch auf.
    «Jetzt sagt, so laut ihr nur
könnt, daß alles nur Lug und Trug ist und daß ihr es durchschaut habt», sagte
Cluas beiläufig, während er Pidges Ärmel hinaufwanderte.
    Sie schrien es aus
Leibeskräften heraus.
    Sofort umgab sie Modergeruch.
    «Lauft!» schrie Cluas, und sie
rannten die Treppe hinunter.
    Über ihnen begannen die Mauern
zu zerbröckeln, und noch während sie vorbeiliefen, überzogen sich die Wände mit
Schimmel, und sie verfärbten sich, wurden feucht und rochen faulig.
    Pidge war von Jubel erfüllt,
und Brigit trug ein triumphierendes Lächeln zur Schau.
    «Wir haben gewonnen! Wir haben
gewonnen!» rief sie ununterbrochen.
    Als sie durch den großen Saal
rannten, sahen sie, daß alles zu Lumpen und Trümmern zerfallen war, daß die
Möbel wurmstichig und mulmig waren und daß alles mit ekligen alten Spinnweben
und Fäden überzogen und von uraltem Staub bedeckt war, so dick und klebrig wie
geriebener Käse. Zu Füßen der zerfressenen Rüstungen hatten sich stinkende
Lachen von rostigem, öligem Wasser zu schmutzig-trüben Gerinnseln angesammelt.
    Sie durchquerten das, was von
dem Saal übriggeblieben war, und liefen hinaus in die Eingangshalle. Die vier
hohen Stufen zerbröckelten unter ihren Schritten. Da sahen sie mit Entsetzen
vor sich die erstarrten Gestalten der Dame und des sonderbar gewachsenen
Mannes, die sich vor dem riesigen Tor postiert hatten, als wollten sie ihnen
den Weg verstellen. Doch im selben Moment, als sie sie erblickten, war etwas
wie ein fürchterliches Stöhnen zu hören, das ebensogut von den beiden Gestalten
kommen konnte wie von Holzbalken, die gerade zerbarsten — in seiner
fieberhaften Hast konnte Pidge es nicht unterscheiden.
    Er packte Brigits Hand, und sie
rannten geradewegs auf das schreckliche Paar zu, ohne ihre Schritte zu
verlangsamen.
    «Aus dem Weg!» schrie er.
    Ächzend zerfiel das Tor zu
Sägespänen, und die dicken Mauern rechts und links stürzten ein. Sie konnten
nun um die Gestalten herumlaufen, die eklig zu einer Art schmutziger Goldkruste
verglühten.
    Und dann standen sie auf grünem
Gras im hellen Tageslicht.
    Das gedämpfte Geräusch von
etwas, das zu Boden fiel, war zu hören, und einen Augenblick lang waren sie von
einem seltsamen Flüstern umgeben.
    Auf dem Boden blitzte etwas
Kleines auf und verschwand.
    Sie starrten auf die Stelle, wo
es gewesen sein mußte; da wuchsen Gänseblümchen und Löwenzahn. Die ganze
Anspannung fiel von ihnen ab; sie zerging wie ein Stückchen Eis in der Sonne,
so wie das Schloß mit seinem Verschwinden alle Schrecken mit sich genommen
hatte.
    Flüchtig schoß Pidge der
Gedanke durch den Kopf, ob die Leute nun für immer im Innern der fürchterlichen
Ruine gefangen blieben.
    «Warum sie wohl so böse waren?»
sagte er.
    «Sie mußten einfach böse sein,
und außerdem heißt es so richtig; Feuer verbrennt das trockene Holz»,
antwortete Cluas.
    Ehe sie weitergingen, hielt
Pidge nach den Hunden Ausschau. Aber sie waren nirgends zu sehen. Wir könnten
rennen, wenn wir wollten, dachte er, aber ich bin zu müde — und wenn ich zu
müde bin, dann ist es Brigit sicher auch.
    Nach einer Weile fanden sie
einen Pfad im Gras und folgten ihm. Jeder Schritt half ihnen, die Erinnerung an
das Schloß Durance in den geschützten Raum zwischen Schlaf und Wachen gleiten
zu lassen, in dem ein Alptraum zuerst nacherlebt wird und sich dann allmählich
verliert.
    «Es war eigentlich gar nicht so
schlimm, Brigit, oder?» fragte er.
    «Die Brennesseln waren das
schlimmste.»
    «Und all das

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