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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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im nächsten zu tausend Löwenzahnblüten zerfallen.
Es war vollkommen still — nur die erschrockene Amsel flog zu einem Strauch und
versteckte sich zwischen seinen Blättern.
    Es war so still, weil sie
allein waren. Die Stadt, die Menschen, der Festeslärm — alles war verschwunden.
Das unberührte Gras schimmerte silbrig in einer leichten Brise, und keine Spur
war mehr zu sehen von all dem, was gerade noch dagewesen war — kein Fußabdruck,
kein weggeworfenes Zündholz. Das einzig Lebendige war alles, was ringsum wuchs,
und die Amsel und eine Schar weißer Vögel, die davonflogen.
    «Ich bin überhaupt nicht
mutig», murmelte Pidge noch einmal.
    «Da ist das Nadelöhr», sagte
Brigit und zeigte nach vorn.
    Es ragte unübersehbar in
einiger Entfernung vor ihnen auf. Es sah aus wie die Klinge eines steinernen Dolches,
die ein Loch hatte. Ein steiniger Pfad wand sich bis zu dem Nadelöhr und
verschwand wie ein grauer Faden darin.
    «Ich warte irgendwo hier auf
eure Rückkehr», sagte Curu.
    «Paß aber bitte gut auf dich
auf», sagte Brigit, die Arme um seinen Hals geschlungen.
    «Ich kann gar nicht anders»,
antwortete er.
    «Wir werden uns wiedersehen»,
sagte Pidge sehr entschieden, und nachdem Brigit Curu umarmt hatte, trennten
sich die Freunde.
    Bald schon wanderten sie auf
dem steinigen Pfad. Zuerst war er noch etwa acht Fuß breit, aber im Ansteigen
wurde er viel schmaler, und das Gelände fiel zu beiden Seiten steil ab. Als sie
das Öhr erreichten, blieben sie stehen und schauten in das zweite Tal zurück,
um noch einmal nach Curu zu sehen. Er war nirgends zu entdecken. Die Landschaft
lag still und verlassen da; sie sah aus wie ein Gemälde.
    Sie folgten dem Pfad und traten
durch das Nadelöhr. Zu ihrer Verwunderung sahen sie, daß im Fels über ihnen
Farne wuchsen, die herabhingen. Sie sehen aus wie Weihnachtsgirlanden, dachte
Pidge.
    Als sie aus der Felsöffnung
traten, lag das dritte Tal vor ihnen. Die Sonne beschien die Spitzen und
Abhänge der Berge, aber das Tal war schmal und finster. Es sah seltsam und
unwirtlich aus.
    Pidge umklammerte das
Haarknäuel fest in seiner Hand, während sie die ersten zögernden Schritte hinab
ins Ungewisse taten.

 
     
     
     
     
     
    as
dritte Tal war wild, zerklüftet und felsig. Das graue Gestein war von Wellen
und Windungen durchzogen. Es sah aus, als habe sich der Fels einst verworfen
und verschoben und sei mitten im Tumult erstarrt. In den Spalten zwischen den
flachen grauen Felsplatten hatte sich Wasser angesammelt, das faulig und zäh
wie Sirup aussah. Es war ein trostloser, wilder und phantastischer Ort, der
beinahe nichts Lebendiges hatte. Außer seltsamen Giftpilzen wuchs hier nicht
viel. Es war merkwürdig, daß auch kein noch so winziges grünes Pflänzchen aus
den Ritzen der grauen Felsplatten zu sprießen versuchte. Nur hie und da waren
magere Gräser zu sehen, und ein paar dürre Dornbüsche reckten sich seltsam
verkrümmt zwischen dem Gestein. Neben dem gewundenen Pfad floß ein Bach. Er
schoß wild dahin, als könne er nicht rasch genug von hier fortkommen. Das Tal
bedrückte und ängstigte sie; es wirkte bedrohlich und böse.
    «Boodie und Patsy haben nicht
übertrieben», sagte Brigit
    Die Flanken der Berge stiegen
steil auf wie Wände, und aus dem Boden ragten Felsen, spitz wie Dolche. Sie
kamen an einem widerlichen weißen Schwamm vorbei, der aussah wie ein geöffneter
Mund.
    Die Kinder setzten sich auf einen
flachen Stein, um nachzudenken, wie sie es eigentlich anstellen sollten, den
Kiesel zu finden.
    «Das beste ist, wir halten beim
Gehen unsere Augen auf; und wenn wir ihn bis zum Ende des Tals nicht gefunden
haben, müssen wir einfach wieder zurückgehen und gründlich suchen», sagte
Pidge.
    «Gut» sagte Brigit, und im
selben Augenblick bewegte sich der Stein unter ihnen. Angeekelt sprangen sie
auf Pidge stieß ihn in wildem Schrecken mit dem Fuß um. Es war nichts darunter
als grauer Fels. Brigit atmete erleichtert auf
    «Ich hab’ schon gedacht, da
wäre ein böser Wurm drunter», sagte sie. «Ein bißchen Angst haben ist ja ganz
schön, aber zu sehr doch nicht», flüsterte sie, während sie weitergingen.
    Je tiefer sie in das Tal
eindrangen, desto steiler ragten die Berge auf, die für jedes Lebewesen
unbezwingbar waren. Wenn Pidge zu lange hinaufsah, hatte er das Gefühl, sie
neigten sich drohend über ihn, und er mußte seine Angst vor dem Weitergehen mit
aller Kraft niederringen. Mit seiner freien Hand umklammerte er krampfhaft

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