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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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Tierknochen, dachte er. Oder waren da auch andere?
Grinste da nicht ein Menschenschädel aus dem Knochenberg? Schaudernd wandte er
sich ab. Jetzt bemerkte er, daß der Geruch der Suppe sich mit einem anderen zu
mischen schien, stinkend und widerlich, wie von verrottetem Kohl.
    Sie standen nun ganz still da
und wußten, daß sie auf etwas warteten, aber sie wußten nicht worauf.
    In der Dunkelheit hinter dem
Feuer regte sich etwas noch Dunkleres. Da begann zu ihrer Überraschung eine
Stimme leise zu singen.
    Darauf waren sie am
allerwenigsten vorbereitet, und sie sahen sich mit einem kleinen überraschten
Lächeln an.
    Die Stimme sang:
     
    «‘ne
Zwiebel und Speck und ‘n Ei
    Und
Butter aufs Brot, einszweidrei —
    Und
‘n leckeres Täßchen Tee
    Wie
wird mir da wohl und weh!»
     
    Der scharfe Kohlenrauch hatte
ihre Hälse ausgetrocknet und gereizt, und beide mußten husten. Darauf folgte
tiefe Stille, und schließlich kam ein durchdringendes Flüstern aus dem Dunkel.
    «Wer ist da? Wen hat’s hier zu
mir hereingeweht?» ließ sich das kräftige Flüstern hören. Und es gab sich
sofort selbst die Antwort: «Zwei Kinderchen! Was für ein unerwarteter Genuß!»
    Die Stimme klang durchaus
freundlich, und Pidge hoffte sofort, daß es nichts zu fürchten gebe. Sie faßten
sich beide ein Herz und traten noch tiefer in die Höhle.
    «Wer sind Sie?» fragte er
dennoch vorsichtig.
    «Ich bin der Glomach, mein
Lieber», sagte die Stimme. «Und das ist mein Zuhause.»
    »Der Glomach», wiederholte
Brigit, nahe daran zu kichern. Pidge drückte vorsichtshalber warnend ihre Hand.
    «Ihr habt doch sicher von mir
gehört, was?» fragte die Flüsterstimme hoffnungsvoll.
    «Ja», log Pidge rasch. Er
wollte es sich nicht mit einem wie dem Glomach verderben.
    «Was sagen die Leute denn so,
Kleiner?» fragte die Stimme erfreut, aber ein wenig mißtrauisch. Derjenige, dem
die Stimme gehörte, blieb im Dunkeln, und sie konnten sich nicht im geringsten
vorstellen, wie er aussehen mochte.
    Pidge hatte sich inzwischen
gefaßt und sagte:
    «Daß Sie ein großer Schmied
sind.»
    «Und was sagen sie sonst noch?»
fragte die Stimme ein wenig beunruhigt.
    «Nichts.»
    «Nichts über das, was ich sonst
noch kann?»
    «Nein.»
    «Nichts über meine
Gewohnheiten?»
    «Nein.»
    «Und über meine Häßlichkeit?»
    «Davon haben wir nichts
gehört.»
    «Ach», sagte die Stimme
traurig, «ich bin aber häßlich. Ich bin sehr, sehr häßlich. Deshalb bin ich
auch so allein. Ich bin sehr, sehr allein. Tu’ ich euch leid, Kinder?»
    «Ich weiß nicht», sagte Brigit
ehrlich.
    «Ihr solltet mich aber
bemitleiden, wirklich!»
    «Wie häßlich sind Sie
eigentlich?» fragte Brigit «Wie sehen Sie denn aus?»
    «Ach, mein süßes Mädchen»,
sagte der Glomach, «wie soll ich dir das sagen? Ich gehöre zum Stamm der
Fomoiri — aber ich bin falsch geboren, weißt du. Meine Leute haben alle eine
Hand, ein Bein und drei Zahnreihen. Aber ich bin ein Ungeheuer mit zwei Händen,
zwei Beinen — und nur einer Zahnreihe. Ich bin wirklich ein furchtbarer
Anblick!»
    Bei diesen Worten seufzte der
Glomach tief.
    Brigit mußte lachen.
    «Sie sind aber dumm», sagte
sie. «So sehen doch alle aus!»
    «Willst du damit sagen... daß du auch so aussiehst?»
    «Ja — natürlich.»
    «Du Arme!» seufzte der Glomach.
«So jung, so süß und so bedauernswert.»
    «Kommen Sie doch mal heraus,
damit wir Sie sehen können», sagte Brigit tapfer.
    «Das könnte dir leid tun»,
sagte der Glomach; und schon im nächsten Augenblick trat ein riesenhafter Mann
aus der Tiefe der Höhle und lächelte auf sie herab.
    «Ich bin der Glomach», sagte
er. «Ich bin so froh, daß wir uns gleichen.»
    Sie waren sprachlos vor
Entsetzen bei seinem Anblick.
    Er war ein krummbeiniger,
wulstlippiger, faßbäuchiger Riese mit einem mächtigen Hinterteil.
    Seine Stirn war faltig wie
querliegender Cordsamt, die Stirnknochen bedeckte verfilztes schwarzes Haar,
unentwirrbar wie altes Domgesträuch, und überschattete die Augen. Seine gelben
Zähne waren groß wie Schuhschnallen, und wo vorne zwei davon fehlten, sah man
seine Zunge wie einen kleinen rosa Ballon hervorquellen, wenn er lächelte. Er
trug einen groben Kittel aus Sackleinen unter einer Lederschürze voller
Brandflecken und einen breiten Ledergürtel um die dicke Mitte. Seine Haut war
über und über mit stacheligen schwarzen Haaren bedeckt.
    Entsetztes Schweigen herrschte,
während die Kinder zu ihm hinaufstarrten. Es kribbelte in ihren

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