Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
Vom Netzwerk:
die Hunde machen würden. Sie ließen sich jedesmal sofort zu
Boden fallen und lagen reglos wartend da, als wären sie in Stein gehauen. Ein
paarmal liefen die Kinder ein kleines Stück, wenn sie sicher waren, nicht
gesehen zu werden, und achteten sorgfältig darauf, ihre Schritte rechtzeitig zu
verlangsamen und wieder wie vorher zu gehen. Bald waren sie richtig darauf
eingespielt.
    Brigit begann zurückzubleiben.
    Pidge war beunruhigt, als er
sah, daß sie hinkte.
    «Was ist denn los?»
    «Ich habe ein Steinchen in
meiner Socke. Ich muß mich hinsetzen und es rausholen», sagte sie finster.
    «Macht nichts, sie werden schon
nicht versuchen, uns einzuholen. Ich hatte schon Angst, du hättest dir den
Knöchel verstaucht.»
    Er lächelte ihr ermutigend zu
und hielt nach einem Platz Ausschau, an dem sie angenehm sitzen konnte.
    Zu ihrer Rechten lag ein
mächtiger Baumstamm.
    Er war stellenweise mit Moos
bewachsen, hatte grüne Schimmelflecken, und hie und da ragten kleine Farne wie helle,
grüne Federn aus seiner Rinde; und dann war da noch ein großer, zäher Schwamm
von einer Art blaugrauer Farbe, der an einem Ende saß, geradeso wie ein keck
aufgesetztes Hütchen. Der Baum sah in all seinem Schmuck sehr verlockend aus.
Der Boden rings um ihn war mit ganz feinem, weichem, dichtem Gras bedeckt, das
sehr einladend wirkte.
    Sie setzten sich darauf, und
Brigit zog ihre Sandale und ihre Socke aus.
    Eine zarte Stimme flüsterte
irgendwo über ihnen;
    «Ich glaube, man sollte ihn mal
so richtig zwicken.»
    Eine andere leise Stimme
flüsterte zustimmend:
    «Das finde ich auch. Ein
tüchtiges bißchen Zwicken würde ihm nicht schaden.»
    Und dann stimmte ein ganzer
Chor ähnlicher Stimmchen gemeinsam zu, daß «er» ein «tüchtiges Zwicken»
vertragen könne.
    Manche sagten: «Das würde ihn
zur Vernunft bringen.»
    Andere sagten: «Nichts kuriert
so gut wie so eine Kur.»
    Wieder andere sagten: «Ein
Zwicken zur rechten Zeit erspart viel Albernheit.»
    Und dann sagte eine Stimme
zögernd:
    «Wer andre zwickt, wird selbst
gezwackt»
    Diese furchtbare Bemerkung zog
Schweigen nach sich.
    Die Stimme, die sie geäußert
hatte, brach in nervöses Gekicher aus, dann war es wieder still.
    Brigit rückte nah an Pidge
heran und flüsterte ihm ins Ohr:
    «Wer ist er? Sprechen die von
dir?»
    «Ich weiß nicht», flüsterte er
zurück.
    Die Stimmen ließen sich wieder
vernehmen.
    Eine sagte:
    «Meine liebe alte Tante pflegte
immer zu sagen: ‹Erst zwicken, dann fragen.›»
    «Das paßt zu deiner lieben
alten Tante — immer zum Kampf bereit.»
    «Nichts gegen meine liebe alte
Tante, sonst kriegst du selber gleich eins gezwickt.»
    Eine dritte Stimme schaltete
sich in diesen privaten Händel ein.
    «Wir sollten ihm einfach sagen,
daß er bekloppt ist, anstatt ihn zu zwicken — das ist meine Meinung.»
    «Da riskieren wir mehr als ein
blaues Auge. Es könnte wieder ein Ehrensalutkommando bedeuten!»
    «Ja, ja», sagte eine letzte
zarte Stimme traurig, «er ist einfach zu bekloppt, um zu kapieren, daß er
bekloppt ist, das ist das Schlimme.»
    Pidge stand auf und schaute
sich um. Alles, was er entdecken konnte, war etwa ein Dutzend Ohrwürmer, die
sich auf der Baumrinde sonnten.
    «Niemand da», sagte er leise
und setzte sich wieder.
    Die Stimmen fuhren fort zu
wispern:
    «Er kann einem das Blut falsch
rum laufen lassen!»
    «Mit seinem Dreispitz und
seinem Französisch!»
    «Er sagt, es wär’ Französisch,
aber soweit wir wissen, ist es Altdümmlich.»
    «Er gibt mit seinen Schlachten
an! Schlachten? Wenn ihr mich fragt, ist das alles Quatsch.»
    «Na ja, ich weiß nicht —
immerhin hat man bei ihm was zu lachen. Ich krieg’ manchmal richtig
Seitenstechen vor lauter Kichern über ihn.»
    «Laß dich bloß nicht von ihm
erwischen, darauf kommt’s an.»
    Nachdem Brigit sich die Socke
und die Sandale wieder angezogen hatte, standen die Kinder auf. Pidge beugte
sich vor und warf einen Schatten über den Baum.
    «Die Sonne hat sich hinter eine
Wolke verzogen», sagte eine Stimme.
    «Oje, hoffentlich regnet’s
nicht!»
    «Ich hoffe schon, daß es
regnet, dann können wir alle heimgehen.»
    «Also — wir machen immer so
weiter und unternehmen nie was dagegen.»
    «Ja. Wir tun ihm halt den
Gefallen.»
    «Armer Kerl.»
    «Aber meistens macht’s mir doch
Spaß.»
    «Mir auch — meistens, aber
nicht immer.»
    «Es sind die Ohrwürmer», sagte
Brigit plötzlich. «Sie sind’s, die reden.»
    «Donner!» schrie einer der
Ohrwürmer. «Ich

Weitere Kostenlose Bücher