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Die Meute der Morrigan

Die Meute der Morrigan

Titel: Die Meute der Morrigan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat O'Shea
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jetzt war diese Einsicht
zu einem winzigen Fünkchen Wahrheit geschrumpft, das unter dem Gewicht der
Furcht halb erstickt wurde und ganz erlosch, als er sich an die alten
Schauermärchen erinnerte, die an Winterabenden am Kaminfeuer erzählt wurden.
Ein Schauder durchfuhr von den Sohlen her zitternd seinen Körper. Vielleicht
waren die Moore in anderen Gegenden trügerischer, und vielleicht war dieses
hier so wie die in den alten Geschichten. Jeder Schritt war eine alptraumhafte
Mutprobe. Brigit, die sich an ihn klammerte und keine Ahnung von dem hatte, was
er dachte, fürchtete sich besonders davor, einer Feenfrau oder einem Geist zu
begegnen.
    «Wenn ich einen seh’, schmeiß’
ich einen Stein nach ihm!» sagte sie laut, um die Geister einzuschüchtern.
    Pidge hörte es gar nicht
    Die Atmosphäre war jetzt
unsagbar böse und furchterregend. Man konnte es kaum für möglich halten, daß
eben noch alles so wunderbar gewesen war.
    Wenn nur Cathbad, der Druide,
bei uns wäre, dachte er, niedergedrückt von dem Gefühl, allein und hilflos zu
sein und dazu noch die Verantwortung für Brigit und sich selbst tragen zu
müssen.
    Da nahmen sie unter dem Heulen
des Windes Laute auf, die zuerst schwach und verweht waren. Sie blieben stehen
und lauschten angespannt, um herauszufinden, aus welcher Richtung sie kamen;
und dann waren sie sehr erstaunt, als sie merkten, daß sie Fetzen von Musik und
so etwas wie Festeslärmen und Gelächter hörten, das gedämpft von fern
herüberdrang und durch den Wind zerstückelt war.
    Oh, wie herrlich! Da sind
irgendwo Menschen, dachte Pidge.
    Als sie unversehens einen
gepflasterten Weg unter den Füßen hatten und die Angst, auf gefährliche Stellen
im Boden zu geraten, schwand, fühlte er sich noch mehr aufgemunterL Jetzt hielt
er den Kopf gesenkt und wandte keinen Blick vom Weg, aus Furcht, er könne ihn
in der Dunkelheit wieder verlieren.
    Einige Sekunden später setzte
plötzlich ein Donnerrollen und Grollen ein, so laut, daß es unmittelbar über
ihnen zu sein schien; und dann zuckte ein Blitz. Einen kurzen Augenblick war
das Licht blendend hell, und als er in diesem seltsamen grellen Schein
aufblickte, sah er ein Schloß mit erleuchteten Fenstern.
    «Schau, Brigit! Es war gar
keine Ruine. Sie haben jetzt das Licht angemacht, und man kann sehen, wie schön
es ist. Wenn wir Glück haben, lassen sie uns unterstehen, bis das Wetter wieder
aufklart.»
    Aber Brigit zerrte auf einmal
an ihm und schrie, daß sie in einem ganzen Feld von Brennesseln seien.
    «Nesseln!» kreischte sie.
«Überall Brennesseln! Oh, die hasse ich mehr als alles andere auf der Welt!»
    Brennesseln waren Brigits
ärgste Feinde. Wenn sie nur eine einzige sah, stellten sich die Haare an ihren
Armen auf, und ein kalter Schauder überlief sie. Sie ließ keine Gelegenheit
aus, sie zu köpfen und mit einem Stock in Stücke zu schlagen.
    Pidge konnte sich nicht
erklären, wie sie da mitten hinein geraten waren, ohne sie zu bemerken und ohne
von ihnen gebrannt zu werden. Vielleicht war er so abgelenkt gewesen von seinen
Gedanken an alles mögliche, und Brigit war vielleicht aus reinem Zufall im
Dunkeln von keiner gestreift worden. Es verwunderte ihn, daß sie ringsum davon
eingeschlossen waren, nur vor ihnen war der Weg frei. Woandershin konnten sie
gar nicht gehen. Sogar hinter ihnen wuchsen Nesseln, ohne daß eine Fußspur
hindurchlief. Es gab nur einen ganz schmalen Weg, sonst nichts als Nesseln;
damit war klar, daß sie den Weg, den sie gekommen waren, nicht wieder
zurückgehen konnten. Er dachte sich noch, daß er und Brigit vielleicht einer unbemerkten
Biegung des Pfades gefolgt waren, den man jetzt beim Zurückschauen nicht mehr
sehen konnte.
    «Soll ich dich Huckepack
nehmen?» erbot er sich, denn er wußte, wie sehr sie es haßte, zerstochen und
gebrannt zu werden, und daß sie, nur in Söckchen, ganz nackte Beine hatte.
    «Da würden meine Beine an der
Seite nur noch mehr rausstehen. Wenn du vor mir bleibst, geht’s schon. Oh,
hätte ich nur einen ordentlichen Stock, um sie zusammenzuhauen, ich tät’s
sofort», schloß sie wütend.
    Der Weg zwischen den Brennesseln
führte sie zu einem mächtigen schmiedeeisernen Tor, das weit offenstand.
Dahinter war eine Auffahrt mit zwei großen steinernen Löwen zu beiden Seiten,
deren Mähnen zu einem Flammenornament gemeißelt waren. Angesichts dieser
Auffahrt fragte sich Pidge, ob der Weg draußen wohl einmal eine richtige Straße
gewesen sein mochte, ehe die Brennesseln

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