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Die Meute

Die Meute

Titel: Die Meute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fisher
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hinauslehnen, werfen.
    Plötzlich wurde ihm die Absurdität der ganzen Situation klar. Er, ein erfolgreicher Architekt, ein angesehener, intelligenter Mann, lehnte sich hier zum Dachbodenfenster hinaus und warf, halb von Sinnen vor Angst, einer Meute mörderischer Hunde Fleischstücke vor. Einfach unmöglich.
    Aber es war wahr. Und die Hunde dort unten, sie wollten töten. Sie hatten getötet. Die netten Tiere dort unten im Hof. Sie hatten seinen Vater getötet und ihm das Fleisch von den Knochen gerissen.
    Er fing an, über die Ecke des Daches hinweg Fleisch nach den Seiten zu werfen.
    Der Schäferhund hatte ihn fast sofort bemerkt. Was der Mann da tat, verstand er nicht. Er wartete, bis der Feind mit seinen seltsamen Bewegungen aufgehört hatte. Erst jetzt stand er auf, um die Wurfgeschosse näher zu untersuchen.
    Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, schnüffelte an einem der Brocken, trottete dann weiter. Die Entscheidung lag bei ihm, dachte Larry. Wenn er fraß, fraßen auch die anderen.
    Und wenn sie fraßen, was dann?
    Der Himmel war wieder bedrohlich dunkel. Bald würde es von neuem zu schneien beginnen. Er ließ seine Augen über die Szene schweifen. Die schneebedeckten Bäume, die weiten, offenen Felder, der braune Zaun mit den weißen Häubchen, der schmale Steg, das Auto dahinter, die schöne ...
    Blitzschnell kam ihm ein Gedanke – die Antwort, die er gesucht hatte. Der Fluchtweg.
    Die Lösung lag draußen. Direkt vor ihm.
     
    9.
     
    »Der Kopf tut mir weh, Mammy«, jammerte Marcy.
    »Ich weiß, Liebling. Mein Kopf tut mir auch weh«, sagte Diane zu ihrer Tochter.
    »Warum bellen sie so?« fragte Josh.
    Diane saß auf der Bettkante und bemühte sich, ihre Kinder zu beruhigen – und auch sich selbst. »Das sind eben Tiere«, versuchte sie zu erklären, »und Tiere tun manchmal etwas, was wir nicht verstehen.«
    »Dopey tut das nicht«, hielt ihr Marcy entgegen.
    »Weil Dopey Menschen hat, die ihn lieben und die ihm sagen, was richtig ist und was falsch.« Dummes Zeug, dachte sie. Sie verstehen überhaupt nicht, wovon ich rede. »Die Hunde da draußen, die haben niemanden, der sie mag. Deswegen wissen sie nicht, wann sie brav sind und wann böse.« Die Hunde da draußen. Fast mußte sie lachen. Das waren gar keine Hunde. Hunde waren gelehrige Wesen an Leinen, sorgfältig getrimmt und mit phantasievollen Namen. Gehätschelte Haustiere. Die bösen Kläffer da draußen, das waren wilde Tiere – keine Hunde.
    »Kann Daddy es ihnen nicht sagen?« »Er versucht es, Baby.« Zu ihrer eigenen Überraschung traute sie ihm das zu.
    Josh setzte sich auf. »Mammy, können wir ihm nicht helfen?«
    Marcys Miene hellte sich plötzlich auf. »Schsch!« machte sie’. »Hört!«
    Sie lauschten. So plötzlich und unerklärlich, wie der Chor der Hunde begonnen hatte, endete er jetzt wieder.
    Sie wagten nicht, sich zu rühren, ängstlich darauf bedacht, die wunderbare Stille nicht zu stören.
    Larry saß im Dachbodenfenster und starrte in die beginnende Dämmerung hinaus, als das Geheul abrupt endete. Seit einer Stunde bemühte er sich, die Landschaft so detailliert wie möglich auf seinen Notizblock zu zeichnen. Gelegentlich hatte er nachgesehen, ob die Meute sich dem Futter genähert hatte, aber es blieb unberührt. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, daß die Hunde es annehmen würden. Die plötzliche Stille erschreckte ihn.
    Welcher seltsame Drang fesselte sie an das Haus? Wenn es nicht Nahrung war, was dann? Er legte Block und Bleistift beiseite und beobachtete sie – suchte nach dem Schlüssel zu ihrem unerklärlichen Verhalten.
    Sobald das Geheul der Meute verstummt war, hatte der Schäferhund ums Haus zu schleichen begonnen. Was hatte er vor?
    Als er zum zweiten Mal zurückkam, verstand Larry, was los war, wenn er auch nicht wußte, warum. Denn jetzt schlossen sich die anderen Tiere dem Schäferhund an und folgten ihm bei seiner Umkreisung des Hauses. Die Meute gruppierte sich neu.
    Er schloß das Fenster und lief in die Küche hinunter. »Weißt du, was das bedeutet?« fragte Diane von ihrem Ausguckposten her.
    »Nein«, antwortete er. »Ich kann mir das alles nicht erklären.«
    »Vielleicht verschwinden sie.«
    Er erwog den Gedanken nur kurz. Nein, das wäre zu einfach gewesen.
    »Da«, sagte Diane und deutete zum Fenster hinaus. Die Hunde hatten sich im Vorderhof versammelt. Sie saßen in einer Reihe vor ihrem Leittier. Der Schäferhund wartete, bis sich die Meute beruhigt hatte, und , trottete dann ein paar

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