Die Meute
Oberkörper band. So hatte er eine Art Hängewiege, die sein Gewicht auf mehrere Stellen des Kabels verteilte und ihm erlaubte, die Hände freizubehalten.
Die Meute schien sich nicht für sein Tun zu interessieren. Er hielt sich mit der Linken an seinem Messer fest und streckte die Beine aus. Wie erwartet, glitt der Strick leicht über die Isolierung des Kabels.
Larry ließ das Messer los, packte das Kabel mit beiden Händen und zog sich vom Dach hinunter. Das Kabel sackte ein wenig durch und begann wild zu schwingen. Aber es hielt stand. Sekundenlang wagte er nicht, sich zu bewegen. Dann hatte sich das Kabel beruhigt. Jetzt hing er zwischen Himmel und Erde über der Meute,
Pledge warf einen Blick auf das Boot und schüttelte den Kopf. »Damit nicht, Ken«, erklärte er.
Rick Berkow, Besitzer, Kapitän und Mannschaft des alternden Bootes zugleich, versuchte ihn zu beruhigen. »Gar kein Problem, sage ich Ihnen.« Zweihundertfünfzig Dollar hatte er verlangt, und die würde er sich nicht mehr entgehen lassen.
Pledge nahm den Zahnstocher aus seinem Mund und fragte: »Wie alt bist du denn eigentlich, Freund?«
»Einundzwanzig«, antwortete Berkow. »Fast zweiundzwanzig.«
Pledge sah Kenny an. »Da hat er ja wohl eine Menge Praxis, was?«
Die Rita Baby war ein kleiner hölzerner Kreuzer mit zwei Innenbordmotoren. Obwohl ein großer Sprung in der Plastikwindschutzscheibe und die abblätternde hellblaue Farbe die einzigen sichtbaren Defekte waren, merkte man der Rita Baby doch die Jahre der Überbeanspruchung und der mangelnden Pflege an allen Ecken und Enden an. »Ach was, Bob«, drängte Kenny. »Glaubst du vielleicht, ich will mein Leben riskieren? Ich kenne mich mit Booten aus, das kannst du mir glauben, und das hier ist gar nicht so schlecht in Schuß. Meinst du vielleicht, ich zahle zweihundert Kröten für einen Kahn, der nicht sicher ist?«
»Zweihundertfünfzig«, korrigierte ihn Berkow.
»Also gut, zweihundertfünfzig.« Es war ja nur Geld, und Larry würde es ihm zurückbezahlen. Eigentlich war das nur fair, sagte er sich, denn er selbst hatte ja vor, Larry einiges zurückzubezahlen. Oder heimzuzahlen – wie man es nennen wollte.
»Okay, Bob«, sagte er schließlich. »Dann bleibst du eben hier. Wir sind sowieso nur ein paar Stunden weg. Len und ich, wir kriegen das schon hin. Wir wollen ja nur ein paar Hunde erschießen. Stimmt’s, Len?«
Sie holten Gewehre, Pistolen und Munition aus dem Rover, verstauten sie unter einem Rettungsfloß der Rita Baby, wo sie hoffentlich trocken bleiben würden, schlüpften in das nach Öl stinkende gelbe Überzeug, das Berkow ihnen zur Verfügung stellte, und fuhren dann los. Die erste größere Welle packte sie etwa fünfzig Meter vom Dock entfernt und hob den Bug der Rita Baby steil in die Höhe. Dann tauchte das Boot tief in das Wellental ein. »Ich glaube, da werden wir naß!« rief Kenny durch den Lärm der beiden Motoren.
»Scheint mir auch so!« schrie Hirschfeld zurück, dem das Bier im Magen wie schlecht verstaute Fracht herumrollte.
Die Art, wie Larry am Telefonkabel baumelte, wirkte seltsam und ungeschickt. Frieda wußte plötzlich, daß er es nicht schaffen würde.
Über den hölzernen Zaun hinweg konnte Diane gerade noch das Dach des Chevrolets sehen. Wie Larry gesagt hatte, verlief das Telefonkabel direkt darüber. Mit raupenartigen Bewegungen näherte er sich dem Auto. Kleine, weiße Nebelwölkchen kamen rhythmisch aus seinem Mund. Sie war so von diesem Anblick gefesselt, daß sie nicht merkte, wie die Hunde sich auf das Haus zuzubewegen begannen.
Der Schäferhund fror. Die langen Stunden des Wartens hatten seine Glieder steif gemacht. Jetzt, da sein Feind sich erneut auf dem Dach bewegte, wußte er, daß dieses Warten zu Ende war.
Diane stand am Fenster und schlang die Finger ineinander, daß die Knöchel weiß hervortraten. Plötzlich bemerkte sie, daß sie im Gleichtakt mit den kleinen weißen Wölkchen aus dem Mund ihres Mannes atmete. Und dann sah sie den grauen Schäferhund. Er stand direkt unter Larry, wedelte nervös mit dem Schweif, starrte nach oben. Sein Maul stand offen, Speichel tropfte von der heraushängenden Zunge in den Schnee. Mit jeder Bewegung näherte sich der Feind dem Boden. Der Menschengeruch war durchdringend, und der Schäferhund konnte seinen raschen, heftigen Atem hören. Aber der Mann hing zu hoch, als daß er ihn hätte erreichen können. Er würde noch etwas Geduld haben müssen.
Larry arbeitete sich langsam
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